Der Mann, von dem man zuviel weiß

Michael Ashcroft, Schatzmeister der britischen Konservativen, ist wegen seiner schillernden Karibik-Aktivitäten unter Beschuß geraten. Der Aufsteiger des Thatcherismus paßt nicht mehr in die Ära Blair  ■   Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Eigentlich ist Michael Ashcroft für die britischen Konservativen ein Glücksfall. Wer sonst würde einem so hoffnungslos dahinvegetierenden Haufen jedes Jahr eine Million Pfund spenden? Und dann auch noch das Amt des Schatzmeisters übernehmen, womit er das Geld praktischerweise an sich selber übergibt?

Tatsächlich ist Michael Ashcroft für die britischen Konservativen ein Reinfall. Da war die Partei gerade nach ihrem Sieg bei den Europawahlen im Juni ein wenig aus ihrem ewigen Tief herausgekommen, und dann kommt sie von allen Seiten unter Beschuß: Ihr Schatzmeister soll ein höchst dubioser Geschäftsmogul der Karibik sein mit – so seine Kritiker – eventuell sogar Beziehungen zum internationalen Drogenhandel. Wegen dieser Anschuldigungen verlangen Teile der Medien und Öffentlichkeit seinen Rücktritt.

Ashcroft ist eine schillernde Figur – für den grauen Alltag der britischen Politik unter Tony Blair wohl etwas zu schillernd. Er hat neben der britischen Staatsbürgerschaft auch die von Belize, dem ehemaligen Britisch-Honduras zwischen Mexiko und Guatemala, und die der Turks- und Caicosinseln in der Karibik. Seine Geschäfte, Steueradresse inklusive, führt er aus Miami. In Belize selbst ist er Eigentümer der größten Bank, Geldgeber der Regierungspartei und UN-Botschafter des Landes.

Letztere Funktion gewährt ihm praktischerweise die diplomatische Immunität. Die kann er eventuell gut brauchen, da karibische Banken nicht immer sauberen Geschäften nachgehen.

Der Name Ashcroft soll seit 1989 in mehreren Untersuchungen der US-Drogenbehörde DEA aufgetaucht sein. 1994 forderte die DEA Geheimdienstpapiere über „mögliche Schmuggel- und Geldwäscheaktivitäten von Michael Ashcroft“ an, nachdem er von den USA in die Karibik mit einem Flugzeug flog, das Drogenhändlern gehörte und von diesen gesteuert wurde. 1997 gab ein in den Niederlanden verhafteter Drogenkurier den Sitz von Ashcrofts größter Firma „Belize Holdings“ als seine Adresse an.

Der ehemalige britische Botschafter in Belize, David Makkilligan, schrieb in einem Brief an die Times über Ashcroft: „Er kann der Verantwortung nicht entkommen, ein System etabliert zu haben, das Belize zu einem viel attraktiveren Ziel für Drogenkuriere macht als es sonst sein würde, und sich Bemühungen zu widersetzen, es richtig zu regulieren, vermutlich um die Profite seiner Gesellschaft zu maximieren.“

Mysteriös an der Geschichte ist nicht so sehr, daß eine solche Person Schatzmeister der Tories wird. Der 53jährige Ashcroft ist das, was man früher einen empire builder nannte, ein Kind der Globalisierung, für den nationale Grenzen wenig bedeuten und dessen Horizont so weit ist, daß die Sonne darin nie untergeht. Er kommt aus einer einfachen Familie und arbeitete sich zu einem der erfolgreichsten Unternehmer Großbritanniens hoch.

Einen Teil seiner Kindheit verbrachte Ashcroft im damaligen Britisch-Honduras, wo sein Vater Kolonialbeamter war. Als 26jähriger gründete er mit geborgten 15.000 Pfund eine Reinigungsfirma, die er vier Jahre später für eine Million verkaufte: In diesem Stil ging es weiter, bis er 1997 umgerechnet 450 Millionen Mark verdiente beim Verkauf seines Untenehmens ADT, das unter anderem Autoalarmanlagen herstellt. Danach war Ashcroft Schätzungen zufolge der vierzehntreichste Mann Großbritanniens.

Bis heute ist er ein enger Freund Margaret Thatchers und ein Produkt ihrer Zeit, als solchen energischen Überwindern der Klassengrenzen erstmals in der britischen Geschichte der Vorzug vor dem alten Establishment gegeben wurde. In einem Interview zu Beginn der Krise um ihn sagte er: „Es war durch Margarets Ära, daß mein Reichtum geschaffen wurde. Sie öffnete die Bühne für die neuen Unternehmer der 70er und 80er Jahre, und dafür sind wir ewig dankbar.“

Merkwürdig ist eher, wo die ganzen Einzelheiten um Ashcrofts mögliche Aktivitäten – von denen bis heute nichts als illegal nachgewiesen ist – plötzlich herkommen. Weithin wird eine gezielte Kampagne vermutet. Im Umgang mit Ashcroft und ähnlichen Thatcher-Produkten betreiben die moralisierenden New-Labour-Technokraten zusammen mit dem ehrpusseligen alten Establishment ein gemeinsames Naserümpfen: So einer hat bei uns nichts zu suchen. Im britischen Außenministerium ist schon eine interne Untersuchung im Gange, wie zwei geheime Telegramme über Ashcroft den Weg an die Times fanden.

Mit Ashcrofts Unterlassungsklage gegen die Times, die er letzte Woche einreichte, hat die Affäre ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Alles weitere wird sich nun nach dem Rhythmus der Gerichte richten. Der Telegraph, konservativer Konkurrent der Times, freut sich schon hämisch auf den „Prozeß des Jahrzehnts“.

Offen ist, welche politischen Konsequenzen die ganze Sache hat. Da Tory-Parteichef William Hague nicht daran denkt, seinen Schatzmeister zu entlassen, will die Regierung Blair auf anderem Wege politisches Kapital schlagen. Alle Spender und die von ihnen gespendenten Summen müssen in Zukunft veröffentlicht werden, alle Spenden aus dem Ausland werden verboten: Das sind die Hauptpunkte eines neuen Gesetzentwurfs aus dem Innenministerium. Dummerweise könnte Michael Ashcroft jedoch unter der Neuregelung fröhlich weiterspenden, da er Brite ist und einen britischen Wohnsitz hat.

Das Establishment, ob alt oder neu, kommt nur begrenzt gegen sich selber an. Aber Ashcroft, der neureiche Störer, ist schon ein bißchen kleingekocht. Sein Firmenreich hat seit Beginn der Affäre ein Zehntel seines Wertes verloren – umgerechnet 300 Millionen Mark.