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Der Feminist

Die Kolleginnen, einst angetreten für die Feminisierung des akademischen Betriebs, applaudieren ihm geschlossen: Robert W. Connell. Der australische Soziologe und Männerforscher gilt als Feminist Nummer eins. In diesem Sommersemester bekleidete er eine Gastprofessur für Internationale Feministische Studien an der Bochumer Ruhr-Universität. Über Männer, das Patriarchat und ob die Männer es abschaffen wollen  ■ Von Eberhard Schäfer

Warum möchten Sie das Patriarchat abschaffen, Herr Connell?

Fünfzehn Bücher und ungezählte Fachartikel hat der Gelehrte veröffentlicht, Gastprofessuren in Toronto, London und Kalifornien zieren seine Vita. Doch akademischer Dünkel scheint Robert W. Connell, Professor für Soziologie und Erziehungswissenschaft in Sydney, fremd.

Sein Outfit ist eine Mischung aus Understatement und inszenierter Nachlässigkeit: Schwarze Jeans, schwarze weder besonders modische noch besonders elegante Schuhe, eine ebenfalls schwarze Jeansjacke. Distinguierter das feine, ebenfalls schwarze Designerhemd, das auch gut zu einem Armani-Anzug passen würde. Das halblange Haar, dunkel mit ein wenig Grau, streicht sich der 55jährige aus dem hageren Gesicht mit den Denkerfalten. Die Erscheinung signalisiert: ein kultivierter Intellektueller. Dann stellt er sich als „Bob Connell“ vor. Bescheiden.

Deutlicher noch als die Sprache offenbart die erste Geste seine angelsächsische Herkunft: Kaum stehen die Getränke bereit, schlüpft der Gast in die Rolle des Gastgebers. Ob ich gern eine Tasse Kaffee hätte? Mit Milch? Oder lieber mit Zucker? Gegen britannische Höflichkeit, die vom Vereinigten Königreich offenbar höchst erfolgreich nach down under exportiert wurde, hat ein deutscher Interviewer einfach keine Chance. Mit Milch, thank you.

Mit Vehemenz streitet der Professor für die Gleichstellung von Mann und Frau, zuallererst in materieller Hinsicht. Postmoderne Differenzdiskurse mag Connell nicht mitmachen. Sein Augenmerk gilt der weltweiten materiellen Ungleichheit von Frauen und Männern, sein Engagement der Abschaffung des globalen Patriarchats.

Fängt er damit im kleinen an, im eigenen Privatleben? Hat er kein schlechtes Gewissen, wenn er wie jetzt, fern der australischen Heimat, die familiären Pflichten sträflich vernachlässigen muß? Die Antwort: „Meine Tochter begleitet mich.“ Eine Schulbefreiung für die Fünfzehnjährige in der Heimatstadt Sydney ließ sich unbürokratisch bewerkstelligen. So kann die Schülerin ihre Kenntnisse in deutscher Sprache und Literatur – dem Fach, das sie später einmal studieren will – vor Ort vertiefen, während Papa an der Ruhr-Universität zu Bochum über „Gender and Globalisation“ doziert und an den vorlesungsfreien Tagen die Zentren der feministischen Forschung in der Republik bereist.

Überall, betont er, werde er freundlich aufgenommen; Kritik an der Tatsache, daß nun ein männlicher Wissenschaftler eine der raren Stellen einnimmt, die in langen Kämpfen von Frauen für Frauen erstritten wurden, ist ihm noch nicht zu Ohren gekommen. Die Historikerin Karin Hausen beispielsweise, Direktorin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin, freut sich, daß endlich auch die Männer beginnen, das Geschlecht zum Forschungsthema zu machen. Sie begrüßt Connells Berufung nach Bochum ausdrücklich. Und die Chefin des Studiengangs Gender Studies an Berlins Humboldt-Universität, Hildegard Maria Nickel, hat ihn zum Vortrag in die Hauptstadt eingeladen. Ehrfurchtsvoll betet sie im ehrwürdigen Senatssaal die akademischen Meriten des Gastes herunter. Connell selbst macht nicht viel Aufhebens um die Angelegenheit. „Es ist eine Gastprofessur. Ich bin für vier Monate in Bochum, keinen Tag länger.“

Was treibt einen, nach eigener Einschätzung besonders privilegierten, weißen und heterosexuellen Mann zum Engagement für die Abschaffung des Patriarchats?

Die Antwort ist eine Achtundsechzigergeschichte: Das Leben im Milieu der sozialen Bewegungen in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren und natürlich eine feministische Partnerin seien ausschlaggebend gewesen. „Man mußte damals die politischen Prinzipien, die man vertrat, leben.“ In ihren politischen Debatten hätten Connell und seine MitstreiterInnen festgestellt, daß man Geschlechterverhältnisse überall fände – bei der Kindererziehung, der Kleidung, der Sprache, ja sogar auf der Toilette. Dann sei es darauf angekommen, das Privatleben praktisch zu „entpatriarchalisieren“. „Das war eine harte Zeit“, sagt Connell heute, „ich war und bin kein Held des Privatlebens.“ Connell wollte es nicht beim Engagement im Privaten belassen, sondern sich dort gegen das Patriarchat engagieren, wo er arbeitete: an der Universität, in den Sozialwissenschaften. Das sei sein Start in die Gender Studies gewesen. Die „mikropolitischen“ Anstrengungen der politisch bewegten Jahre seien eine erfolgreiche Pionierleistung gewesen, sagt er. In den letzen dreißig Jahren habe in den Familien ein beeindruckender soziokultureller Wandel stattgefunden.

Zeugnis für den Umbruch des Bildes vom Mann etwa sei eine australische Illustrierte, deren Umschlag kürzlich das Bild eines Vaters mit seinem Kind zierte. Die Titelzeile dazu lautete: „Das Zentrum meines Lebens.“ Wenn Väter ihre Kinder als Zentrum ihres Lebens begreifen würden und nicht mehr so sehr ihren Beruf und ihre Karriere, sei schon viel gewonnen, sagt Connell. Diesen erfreulichen Trend gebe es in allen westlichen Industrieländern, gerade auch in Deutschland, wo man es nunmehr mit einer demokratisierten „Aushandlungsfamilie“ zu tun habe; der patriarchale Familienvater sei weitgehend passé. Dieser soziologische Befund entspreche auch seinen, zugegeben nicht eben massenhaften, mikropolitischen Beobachtungen im Gastland: „Ehemänner und Väter engagieren sich fleißig im Haushalt und bei der Erziehung. Männer und Frauen probieren egalitäre Arrangements. Das ist beeindruckend. – Noch eine Tasse Kaffee?“

Gerne, danke. Aber paßt dieser optimistische Befund zum Bild patriarchaler häuslicher Gewalt, das Connell in seinem Buch zeichnet? Da hatte er doch von gewalttätigen Männern geschrieben, die das Abendessen nötigenfalls ebenso mit Prügeln erzwängen wie den Geschlechtsverkehr. Und zudem hielten sie dies für völlig legitim. Die angeblich kollektiv gewaltbereiten Männer dienen Connell als Beleg für die These, derzufolge Männer ein „kollektives Interesse“ an der Erhaltung des Patriarchats hätten, das sie notfalls eben auch mit Gewalt durchsetzen würden.

Meint er wirklich, daß Männer Frauen beherrschen wollen? Ist diese Sicht vom Herr-Knecht-Verhältnis nicht lebensfremd? Glaubt er nicht, daß Männer Frauen, Kindern und anderen Männern als gleichwertige Partner gegenüberstehen wollen? Und entspräche dies nicht auch viel mehr dem Bild von der Aushandlungsfamilie? „Da ist ein Widerspruch“, räumt Connell ein: Es gäbe die positive Tendenz durchaus, insbesondere in den USA träfe aber das Bild vom patriarchalen Mann noch weitgehend zu. Der Widerspruch ließe sich jedoch kaum auflösen: Zweifellos würde es Männern viel besser gehen, wenn sie Beziehungen „von gleich zu gleich“ unterhalten würden. Aber: Hätten sie diese tatsächlich, wären ihre finanziellen, beruflichen, soziokulturellen und politischen Vorteile dahin.

Connell ist überzeugt: „Die Männer werden ihre Privilegien verteidigen.“ Zwar hätten sie dafür einen hohen Preis zu zahlen: verarmte zwischenmenschliche Beziehungen, besonders zu den eigenen Kindern, und eine viel kürzere Lebenserwartung. „Trotzdem glaube ich kaum, daß mehr als eine Handvoll Männer eine egalitäre Geschlechterpolitik unterstützen werden.“

Eberhard Schäfer, 36, freier Autor aus Berlin, schreibt regelmäßig über das Männer-Frauen-Verhältnis

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