: Die Stempel-Künstler
Mein Laden und ich – Die neue Samstagsserie der taz-hamburg. Teil 2: Rosa-Linde und Wolfgang Jobmanns Phantasia ■ Von Eberhard Spohd
Stempel sind der Inbegriff von Langeweile. Nur Beamte verwenden die gefrästen Gummimatten, um ihre Arbeit noch eintöniger zu machen. Für jeden Vorgang, der bearbeitet werden muß, gibt es einen Stempel, der zunächst in das tintengetränke Kissen gedrückt wird und dann auf die zu markierenden Papiere, mit schwungvoller Geste, hin und her.
Das war das Vorurteil, dem auch Rosa-Linde und Wolfgang Jobmann anhingen, bis sie auf einer USA-Reise in Waterloo/Iowa – „in the middle of no-where“ – eine seltsame Entdeckung machten. Sie betraten ein Geschäft und wußten nicht, wofür die Amerikaner so viele verschiedene Holzschächtelchen mit Bildern benötigten. Schnell stellten sie aber fest, daß es sich um Kunst- und Symbolstempel handelt, mit denen in Übersee schon vor Jahrzehnten collageartige Bilder entstanden: „Schon in den 50er Jahren hat Joseph Beuys sich mit amerikanischen Künstlern gestempelte Postkarten geschickt.“ Spontan entschlossen sich die beiden, zum Produzenten der Miniaturkunstwerke nach Kalifornien zu reisen, um selbst die Herstellung in Augenschein zu nehmen, und erwarben ebenso kurzentschlossen ihre ersten 80 Stempel.
Nach Deutschland zurückgekehrt gründete das Ehepaar ein Einfuhrunternehmen, um diese Form der bildlichen Darstellung auch hierzulande populär zu machen. An ihrem Messestand auf „Du und Deine Welt“ waren so viele Händler von der Pracht der handgefrästen Stempel angetan, daß 1990 der Entschluß feststand, einen eigenen Laden aufzumachen.
Inzwischen bietet die Kauffrau in der Grindelallee 7000 unterschiedliche Stempel an. Die Motivauswahl reicht von Tieren und Pflanzen über Symbole und Schriftzeichen bis hin zu Themenstempeln zu bestimmten Ereignisse. Die Größe der Druckflächen variiert zwischen der Fläche eines Daumennagels und handtellergroßen Motiven, die Preise liegen zwischen vier und 55 Mark. Zubehör wie bunte Stempelkissen oder Glitzerpulver, mit dem man Effektfarben einbrennen kann, ergänzt das Angebot.
„Das Faszinierende daran ist die Vielfältigkeit“, erklärt Rosa-Linde Jobmann ihre Begeisterung. Natürlich verlangt die Herstellung von Bildern, in denen vorgegebene Muster miteinander kombiniert werden, eine gewisse Kreativität. Diverse nachkolorierte Bilder im Laden verdeutlichen jedoch die Methode, und bei Schwierigkeiten berät die Inhaberin gerne lange und ausführlich. Die Jobmanns veranstalten unter ihren Stammkunden immer wieder Wettbewerbe zu bestimmten Themen, die Siegerstempel zieren die Wände ihres Geschäfts.
Mittlerweile denken die Jobmanns über eine Aufgabe des Ladens nach, um sich nur noch um den Import zu kümmern. „Wir sind jetzt hier seit acht Jahren“, so der ehemalige Schulleiter, „und irgendwann möchten wir auch wieder einmal Urlaub machen.“ Bislang hat sich jedoch noch kein Interessent gefunden, der den Laden übernehmen wollte. Darum heißt es für sie weiterhin täglich: Stempel erst auf das Kissen und dann aufs Papier drücken. Ganz ohne Langeweile.
Phantasia Symbol- und Kunststempel, Grindelallee 105, Tel.: 410 85 95, Öffnungszeiten Mo. bis Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa. 10 bis 14 Uhr.
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