: Auch Adoption schützt nicht vor Abschiebung
■ Trotz Selbstmordversuchs und deutscher Eltern wird junger Südafrikaner ausgewiesen
Für Christa Goetsch ist der Fall eindeutig: „Justin J. wird nicht abgeschoben. Er ist suizidgefährdet und braucht psychiatrische Behandlung.“ Und noch eins stellt die migrationspolitische Sprecherin der GAL-Fraktion klar: Wenn die Ausländerbehörde den 24jährigen nach Südafrika zurückschicken sollte, „gibt es einen Skandal“. Denn das widerspreche der rot-grünen Vereinbarung vom 9. Juli, nach der Selbstmordgefährdete nicht abgeschoben werden dürfen.
Am Montag hatte Justin J. sich auf dem Flug via Amsterdam nach Südafrika mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufgeschnitten und Verletzungen am Hals beigebracht. Wegen der Weigerung holländischer Beamter, die Abschiebung fortzusetzen, mußte er nach Hamburg zurückgebracht werden. Hier wurde er in Abschiebehaft genommen. Nun soll J. am Montag abgeschoben werden, obwohl er einen weiteren Selbstmordversuch angedroht hat.
Für Claudia Leitsch vom Flüchtlingsrat Hamburg ist dies ein weiterer Beweis dafür, daß die Behörde „ihre grausame Vertreibungspolitik mit allen Mitteln durchsetzt“. Die Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl forderte SPD und GAL auf, „endlich ernst zu machen mit der Umsetzung ihrer neuen politischen Vorgaben“. Die „Spielräume“ in den Formulierungen des Papiers würden die Ausländerbehörde „zu Willkür geradezu ermuntern“.
J. kam als 17jähriger nach Hamburg zu seinem Vater, der eine deutsche Frau geheiratet und die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hatte. Die Familie gilt als „gutsituiert“; die Stiefmutter adoptierte Justin, dem psychologische und amtsärztliche Gutachten „emotionale Retardierung“ bescheinigen. Er war nach dem Tod seiner Großmutter als Halbwüchsiger in Jugendgangs geraten, in denen er „heftige Gewalterfahrungen als Fußabtreter der Stärkeren“ erfuhr.
Die Adoption aber wird von der Behörde, von der gestern keine Stellungnahme zu erhalten war, nicht anerkannt. Nur höchstens 16jährige könnten dadurch „zu Familienmitgliedern im ausländerrechtlichen Sinne werden“. Zwei Petitionen, die vom Eingabenausschuß der Bürgerschaft – letztmals vor zwei Wochen – angenommen wurden, wischte die Ausländerbehörde vom Tisch.
Genauso wie politische Vorgaben der rot-grünen Regierungsfraktionen. Sven-Michael Veit
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