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Zweiter Versuch gegen Scheinselbstständigkeit

■ Arbeitsministerium will umstrittene Regelung noch dieses Jahr nachbessern

Bonn (AP/dpa) – Die Regelung zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit wird voraussichtlich rückwirkend zum Jahresbeginn nachgebessert. Das kündigte das Bundesarbeitsministerium gestern an. Nachgebessert werden soll auf der Grundlage des Zwischenberichts der Expertenkommission, die sich angesichts der öffentlichen Kritik mit dem Thema befasst. Der Bericht wurde gestern vorgestellt. Im Kern zielen die Vorschläge auf eine Entschärfung der seit Jahresbeginn geltendenden Regelung. Die Arbeitgeber erklärten, der „Schnellschuss“ müsse umgehend gesetzlich korrigiert werden.

Der von der Bundesregierung beschrittene Weg, Scheinselbstständigkeit einzudämmen, sollte nach Ansicht des Kommissionsvorsitzenden Thomas Dieterich nicht verlassen werden. Der ehemalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts fügte aber hinzu, in der Praxis habe sich bei Unternehmen eine Vermeidungsstrategie entwickelt: Oft würden aus Unsicherheit Aufträge nicht vergeben.

Deshalb schlug die Kommission vor, das Gesetz klarzustellen. Die so genannte Vermutung einer Scheinselbstständigkeit soll nur dann von den Sozialversicherungsträgern angewandt werden, wenn die Betroffenen selbst Auskünfte verweigern. Außerdem sollen künftig drei von fünf und nicht mehr zwei von vier Kriterien die Entscheidung darüber ermöglichen, ob Etikettenschwindel oder eine tatsächliche Selbstständigkeit vorliegt. So deutet die Tatsache, dass ein Selbstständiger keine Arbeitnehmer beschäftigt oder nur einen Auftraggeber hat, zwar auf Scheinselbstständigkeit hin. Allerdings muss laut der Kommission künftig auch nachgewiesen werden, dass dies dauerhafte Zustände sind. Außerdem soll berücksichtigt werden, wenn Familienangehörigen beschäftigt werden. Zwei weitere Kriterien sind „unternehmertypische Tätigkeiten“, die die Kommission weiter präzisiert wissen will, und „arbeitnehmertypische Tätigkeit“.

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