Auswandern für zwei Wochen

■ Ein Berliner Reisebüro und ein gemeinnütziger Verein bieten erstmals „Schnupperreisen“ für Auswanderungswillige an

Sollen doch alle nach Berlin strömen, ich gehe nach Palma.“ Das dachte sich ein 28-jähriger Berliner, als ihm ein deutscher Arbeitgeber in Palma anbot, ihn in seinem Restaurant als Partner aufzunehmen und ihm kostenlos eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Der berlinmüde Mann kündigte Job und Wohnung und flog gen Süden. Doch die Sonne schien dort nicht für ihn. Zwei Wochen arbeitete er umsonst gearbeitet, darüber hinaus sollte er dann doch Miete für die Wohnung zahlen.

Nun hat ihn der Berliner Wohnungs- und Arbeitsmarkt wieder: als gescheiterten Rückkehrer. Weil seine Geschichte kein Einzelfall ist, die Folgen oft noch drastischer sind und Konsulate im Ausland zunehmend schlechte Vorbereitungen und naive Vorstellungen von deutschen Auswanderern beklagen, gibt es jetzt die kleine Reise vor der großen Reise. Das gemeinnützige Raphaels-Werk – der Beauftragte der Bundesregierung für die Beratung von Auswanderern – bietet zusammen mit dem Berliner Reiseveranstalter „Lernidee Reisen“ erstmals „Reisen für eine gelungene Auswanderung“ an, die gestern vorgestellt wurden.

Ob der Norden Kanadas, Südafrika, Irland, Großbritannien, Frankreich oder Costa Rica – auf 10- bis 14-tägigen Reisen soll den Auswanderungswilligen „ein realisisches Bild der Lage vor Ort“ vermittelt werden. Schätzungen zufolge scheitern von den über 100.000 Auswanderern jährlich bis zu dreißig Prozent. „Die Leute sollen nicht zu naiv und zu schnell ins Ausland gehen“, rät Georg Mehnert vom Raphaels-Werk, der im Berliner Büro in Stoßzeiten bis zu 100 Anfragen täglich bekommt.

Jede zweite innereuropäische Beratung, die je nach Aufwand bis zu 160 Mark kostet, dreht sich nach seinen Angaben um Spanien – 65 Prozent davon Mallorca. So ist es nicht verwunderlich, dass die erste „Auswanderungsvorbereitungsreise“ im November dieses Jahres nach Málaga führt, das verdammt nah an Marbella liegt, wo man wahrlich nicht über einen Mangel an Deutschen klagen kann. Den Marktgesetzen folgend, richtet sich die knapp 2.500 Mark teure 10-tägige Reise an Gruppen, die seit Jahren nach Spanien strömen: Rentner und Immobilieninteressierte. Der Geschäftsführer von „Lernidee Reisen“ verteidigt das Programm, bei dem ein deutscher Pfarrer, die deutsche Gemeinde an der Costa del Sol und „seriöse deutsche Immobilienmakler“ zur Beratung auftauchen, mit der Nachfrage am Markt. „Wir würden auch lieber nach Nordspanien fahren“, sagt er. Doch dafür gebe es keine Nachfrage.

Wer weniger deutschtümlerisch orientiert ist, kann sich im Mai nächsten Jahres auf in den Norden Kanadas machen, wo gut ausgebildete deutsche Facharbeiter Mangelware sind. Südafrika-Interessierte können sich bei einem Besuch bei BMW oder Siemens über die dortigen Arbeitsbedingungen und Gehälter schlau machen. Wer Lust auf Frankreich hat, bekommt neben Aufklärung über „kleine, feine Unterschiede“ – beispielsweise beim Prozedere von Geschäftsessen – ebenso Tipps vor Ort über Existenzgründungen, Einstellungskriterien oder das französische Schulsystem.

Weil auch die USA nach wie vor ganz oben auf der Hitliste der Deutschen stehen, ist auch eine Reise nach Kalifornien geplant. Doch ob die im Mai kommenden Jahres wirklich stattfinden kann, ist ungewiss. Noch ist nicht klar, ob die dortigen Einwanderungsbehörden, die kein großes Interesse an verkappten Einwanderern haben, ihre Zustimmung für die Schnupperreise geben. B. Bollwahn de Paez Casanova