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Indonesien wird kaum Ruhe finden

Wahlsiegerin Megawati Sukarnoputri verspricht dem Vielvölkerstaat Gerechtigkeit und ein Ende der Gewalt. Doch sie selbst und das weiterhin mächtige Militär stehen für eine Fortsetzung des javazentrierten Nationalismus   ■  Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – In der rebellischen Provinz Aceh wurden letzte Woche über 70 Dorfbewohner in Massengräbern gefunden – offenbar kaltblütig exekutiert von rachsüchtigen Soldaten. Täglich werden in Flüssen und Schluchten weitere Leichen entdeckt. Das Militär plant jetzt eine Großoffensive in der nach Unabhängigkeit strebenden Provinz. Auf der Molukkeninsel Ambon schlagen Christen und Muslime wieder aufeinander ein. Und in der Singapur vorgelagerten Industriezone Batam starben 13 Menschen nach schweren Bandenkämpfen zwischen ethnischen Minderheiten. Das Referendum über den Status des annektierten Ost-Timors ist gefährdet, weil Milizen die Bevölkerung und UNO-Mitarbeiter terrorisieren.

Kaum ein Tag vergeht ohne Schreckensmeldungen aus Indonesien. Die Hoffnung, der viertgrößte Staat der Welt werde nach den jüngsten Wahlen zur Ruhe kommen, ist verflogen. Das eben erst begonnene demokratische Experiment ist gefährdet. Können die Indonesier ihr Land zusammenhalten? Kann es sich vom politischen Erbe des 32jährigen Suharto-Regimes befreien?

Die Tochter des Staatsgründers Sukarno meldete letzte Woche ihren Anspruch auf die Präsidentschaft an. „Ein neues Kapitel der Geschichte muss beginnen, mit einer neuen Regierung frei von Korruption, Filz und Vetternwirtschaft!“ rief sie. „Ich werde dem Volk zum Sieg verhelfen, ich biete ihm ein neues Indonesien an!“ Unter Tränen versprach sie, die Gewalt zu beenden und für Gerechtigkeit zu sorgen. Doch ob Megawati ihre Versprechen erfüllen kann, ist fraglich. Sie selbst ist tief konservativ und ein gutes Beispiel dafür, wie tief Suhartos autoritäre Politik der vergangenen drei Jahrzehnte das Denken der Indonesier geprägt hat: Bis heute ist ihr das Wort „Opposition“ verdächtig. Bisher lehnte sie es ab, sich als „Oppositionspolitikerin“ bezeichnen zu lassen. Das sei „unjavanisch“ und den Indonesiern „kulturell fremd“. Meinungsunterschiede müssten vielmehr im „Konsens“ gelöst werden.

Niemand weiß, wieviel Einfluss Suharto noch auf die Politik hat. Offenkundig aber ist, dass er sehr gut beschützt wird. Als der 78jährige kürzlich einen Schlaganfall erlitt, ließ die Staatsanwaltschaft sofort mitfühlend die Korruptionsermittlungen gegen ihn vorübergehend einstellen. Das schürt die Wut der Mittelschicht und der demokratischen Opposition auf Präsident B. J. Habibie, dem viele vorwerfen, nur ein verlängerter Arm seines alten Freundes Suharto zu sein. Dessen Schlaganfall könnte für seinen Nachfolger allerdings auch nützlich sein: Habibie kann sich leichter von dem geschwächten alten Mann im Rollstuhl distanzieren. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Präsidentenwahlen im November zwischen Habibie und Megawati ist wahrscheinlich.

Die Kampagne gegen die populistische Politikerin hat längst begonnen. Unablässig warnen konservative Muslime: Die 52jährige sei zu ungebildet; eine Frau dürfe nicht regieren; ihre Partei habe viel zu viele christliche und ethnisch chinesische Abgeordnete. Was die Situation für Megawati noch komplizierter macht: Auch innerhalb der Reformbewegung gehen die Vorstellungen über Indonesiens Zukunft weit auseinander.

So schreckt der glühende, auf die Hauptinsel Java zentrierte Nationalismus Megawatis zum Beispiel Anhänger der Nationalen Mandatspartei (PAN) des Politikprofessors und Muslimführers Amien Rais. PAN hat besonders in den entlegeneren Provinzen Stimmen gewonnen. Dort wächst der Zorn über die politische und wirtschaftliche Dominanz der Javaner. Megawati hat widerwillig angekündigt, das von der UNO in Ost-Timor organisierte Referendum zu akzeptieren. Sie versprach den Bewohnern von Aceh auch einen größeren Anteil am Gewinn der an Erdgas reichen Provinz. Doch weiter will sie keinesfalls gehen: Außer in Ost-Timor könne es „in anderen Regionen Indonesiens kein Referendum – aus welchem Grund auch immer – geben.“

Für viele PAN-Abgeordnete könnte deshalb ein Präsident Habibie, der selbst von der Insel Sulawesi stammt, das kleinere Übel sein. Er hat bereits versprochen, Ost-Timor freizugeben. So richten sich jetzt die Blicke auf das Militär, das im Rennen um die Präsidentschaft zum Königsmacher wird. Armeechef Wiranto wird bereits als Vizepräsident gehandelt – mit Habibie oder auch mit Megawati. Doch trotz Wirantos Reformversprechen hat sich an Praxis der Armee bisher wenig geändert, wie die jüngsten Massaker in Aceh und Terrorkampagnen in Ost-Timor zeigen. Für viele Oppositionelle ist dies ein schrecklicher Gedanke: Dass die ersten demokratischen Wahlen wieder die Militärs in die Regierung bringen, die Suharto mit Mord, Folter und der Entführung von Dissidenten dienten.

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