piwik no script img

Citibank spart mit Call Center

■ Die Bank fasst ihre Telefondienste zusammen und fordert die Entlassenen auf, sich neu zu bewerben. Die wehren sich

Berlin (taz) – „Das ist doch ein Skandal“, regt sich Frank Fassin vom Landesbezirk Nordrhein-Westfalen (NRW) der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherung (HBV) auf: Erst Leute rausschmeißen und dann noch öffentliche Fördergelder abgreifen.

Der Feind ist die Citibank, die einen Teil ihrer Call Center in einem 16-stöckigen Gebäude am Duisburger Hauptbahnhof zusammengeführt hat. Was Fassin dabei so ärgert, ist, wie dabei mit den Angestellten umgesprungen wurde: Erst einmal wurde allen gekündigt. „Betriebsbedingt“ und mit der Option, dass sie sich in Duisburg ja neu bewerben könnten. Eine praktische Option, findet Fassin, „für die Citibank“. Das nur freiwillige Arbeitsplatzangebot sei „eine Strafaktion der Citibank gegen die Gewerkschaftsmitglieder“ gewesen. Immerhin habe sich die Zahl der Beschäftigten, die in der HBV organisiert sind, in den letzten Monaten verdoppelt. Geert Harzmann, Pressesprecher der Citibank, dementiert, dass man solche Ziele verfolgt habe.

Dass die Citibank mit der Umstrukturierung spart, ist allerdings klar: An den alten Standorten wurden die Mitarbeiter nach dem Bankentarif beschäftigt, in Duisburg gilt dieser nur für eine Übergangszeit von einem Jahr. „Für einen Call-Center-Betrieb ergeben sich andere Anforderungen“, so Harzmann. Gegen finanziellen Ausgleich liegt die Arbeitszeit dort nun bei 40 Stunden, der Urlaub ist kürzer. Ein Teil der Bezahlung erfolgt leistungsbezogen. Einen Tarifvertrag gibt es nicht – ein Problem, das die meisten Call Center haben.

Die Gewerkschaft wie auch die Arbeitnehmerinitiative der bisherigen Citibank Call Center befürchten, dass nun andere Unternehmen dem Beispiel der Citibank folgen. „Die Citibank ist richtungweisend für den ganzen Bereich“, so Hannes Oberlindober von der Arbeitnehmerinitiative des ehemaligen Citibank Call Centers in Bochum. Kein Wunder, dass auch die HBV hier ein Signal setzen will und die Auseinandersetzung zum Mittelpunkt einer Kampagne gemacht hat.

Vor allem, da es nicht nur um einzelne Arbeitsplätze geht, sondern darum, dass die Rationalisierungsmaßnahme der Citibank auch noch vom Land gefördert werden soll. 7,23 Millionen Mark hat die Bank aus regionalen Wirtschaftförderungsmitteln beantragt. „In den alten nordrhein-westfälischen Standpunkten stehen 500 Personen ohne Job dar“, so Fassin. Hinzu kämen die Leute aus den Call Centern, die bisher ausserhalb der Landesgrenzen angesiedelt waren. Wie viele Stellen allerdings per Saldo verbleiben, darüber gehen die Einschätzungen auseinander. Während Harzmann erklärt, die Stellenzahl bleibe auch im bundesweiten Vergleich „mindestens gleich“, sieht die HBV höchstens innerhalb der Landesgrenzen eine gerade noch positive Bilanz.

Die Düsseldorfer Staatskanzlei scheint ihre Einscheidung schon gefällt zu haben. „Wir wollen diese neuen Service-Anbieter in unserem Land haben“, sagt Heiko Bensch, Leiter der Call Center Offensive (CCO) in der Staatskanzlei. Untersuchungen bescheinigen den standortvariablen Telefonzentralen hohes Entwicklungspotential. Eine emnid-Umfrage rechnet für Deutschland mit 130.000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2002, heute gibt es 40.000. Allein für 1999 prophezeit der Deutsche Direktmarketing Verband 30.000 neue Stellen. Gesamtwirtschaftlich gesehen fällt die Bilanz allerdings bescheidener aus. In den etablierten Dienstleistungsbereichen und den Konzernen werden die entsprechenden Arbeitsplätze abgebaut oder ausgelagert.

Einen kleinen Erfolg hat die Gewerkschaft aber auf jeden Fall zu verzeichnen. „Sicherlich hat die Citibank nicht damit gerechnet, dass nur wenige ihrem Ruf nach Duisburg gefolgt sind“, so Oberlindober. 73 ehemalige Citibank-Telefonexperten haben sogar ihr eigenes Call Center gegründet, das Call Center Tekomedia. Sie engagieren sich neben den Dienstleistungen auch in der Qualifizierung. Auch mit Banken wurden Gespräche geführt. „Die wollten gleich groß einsteigen“, sagt Oberlindober. „Aber wir begeben uns nicht gleich in die nächste Abhängigkeit.“ Jörg Stroisch

Die Rationalisierungsmaßnahme soll auch noch vom Land gefördert werden. 7,23 Millionen Mark hat die Bank beantragt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen