: Falsches Spiel mit den Castor-Transporten
Obwohl PreussenElektra und RWE noch nicht einmal alle nötigen Unterlagen für die Neuaufnahme der Transporte eingereicht hatten, sprachen sie im Juli bereits laut von Verschleppungstaktik bei Trittin ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – Im Konflikt um die Wiederaufnahme der Atomülltransporte in die Wiederaufarbeitung haben die AKW-Betreiber über Monate hin ein doppeltes Spiel inszeniert. Während sie öffentlich auf Brennelementetransporte nach Frankreich und England drängten, waren sie zugleich lange Zeit nicht in der Lage, den Gutachtern des Eisenbahnbundesamtes die für eine Wiederaufnahme der Transporte notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Darauf hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) jetzt seinen niedersächsischen Amtskollegen Wolfgang Jüttner (SPD) aufmerksam gemacht, der sich zuvor wegen der engen Entsorgungssituation des AKW Stade an das Bundesumweltministerium gewandt hatte. Unterlagen des französischen Wiederaufarbeiters Cogema und der britischen BNFL seien „erst vor wenigen Tagen bei den Gutachtern eingetroffen“, heißt es in dem vor einer Woche von Trittin unterschriebenen Brief. Derzeit würden die beiden Gutachter des Eisernbahnbundesamtes, also die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) und das Darmstädter Ökoinstitut, die von den Energieversorgern und den Wiederaufarbeitern vorgelegten Unterlagen noch daraufhin prüfen, „ob die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Vermeidung von Kontaminationsüberschreitungen hinreichend wirkungsvoll sind“.
Bekanntlich hatte schon Trittins Vorgängerin Angela Merkel im Frühsommer 1998 einen Stopp für Atommülltransporte verhängt, weil durch Kontaminationen auf der Außenseite der Behälter häufig der internationale Grenzwert von vier Becquerel pro Quadratzentimeter überschritten worden war.
In dem Schreiben an Landesumweltmnister Jüttner stellte Trittin auch klar, dass eine Aufhebung dieses Transportstopps „erst erfolgen kann, wenn gewährleistet ist, dass die international verbindlichen Grenzwerte für Kontaminationen während des gesamten Transports mit hinreichender Sicherheit eingehalten werden“. Mit der Einhaltung dieser internationalen Grenzwerte haben die deutschen AKW-Betreiber immer noch erhebliche Schwierigkeiten. Auch sie haben den Gutachtern des Eisenbahnbundesamtes nach Informationen der taz notwendige Unterlagen zum Teil erst im Juli geliefert. Zur gleichen Zeit waren bereits publikumswirksame Anträge auf Brennlementetransporte aus den AKWs Biblis, Neckarwestheim, Philippsburg und Stade beim Bundesamt für Strahlenschutz gestellt, und die PreussenElektra und später auf der RWE-Konzern drohten öffentlich mit Klagen gegen das Bundesamt.
Für die insgesamt drei Gutachten, die das Eisenbahnbundesamt bei GRS und Ökoinstitut in Auftrag gegeben hatte, bilden die Unterlagen von Betreibern und Wiederaufarbeitern die Grundlage. In ihnen müssen die Betreiber den künftigen Umgang mit den Behältern und die einzelnen Arbeitsschritte bis hin zu detaillierten Vorschriften für das Personal genau dokumentieren. Für das Schreiben dieser Unterlagen waren zahlreiche Sitzungen der entsprechenden Techniker und Sicherheitsfachleute nötig.
Die beiden einfacheren Gutachten zu den Transporten von Brennelementen direkt in die Zwischenlager Ahaus und Gorleben und zu den Rücktransporten von in Glas eingeschmolzenen Wiederaufarbeitungsabfällen in die Bundesrepublik haben die Gutachter des Eisenbahnbundesamtes bereits fertiggestellt. Mit dem dritten Gutachten, das die Brennelementetransporte in die Wiederaufarbeitung betrifft und mit dem eigentlich erst die Konsequenzen aus dem Atomtransporteskandal gezogen werden, ist dem Vernehmen nach erst im Frühherbst zu rechen. An die hundert Papiere der Betreiberseite liegen der GRS und dem Ökoinstitut für dieses Gutachten inzwischen vor. Gänzlich neue Unterlagen müssen die Betreiber nun offenbar nicht mehr vorlegen. Zu Nachbesserungen und Änderungen wird es aber in den nächsten Wochen wohl noch kommen. Auch das fertige Gutachten wird kaum gleich grünes Licht für neue Transporte in die Wiederaufarbeitung geben, sondern eher einen Katalog von Auflagen oder neuen Vorschriften verlangen, die die Betreiber dann zu erfüllen haben.
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