: Öcalan: PKK raus der aus Türkei
■ Der inhaftierte Anführer der kurdischen Arbeiterpartei kapituliert. Er ruft seine Kämpfer auf, die Waffen niederzulegen und das Land zu verlassen
Istanbul (taz) – Einen Monat nach seiner Verurteilung zum Tode gibt Abdullah Öcalan endgültig auf. Über seine Anwälte forderte er gestern die Kurdische Arbeiterpartei PKK auf, den bewaffneten Kampf einzustellen und sich aus der Türkei zurückzuziehen. Öcalan knüpfte keinerlei Bedingungen an diesen Aufruf. „Um des Friedens willen rufe ich die PKK auf, den bewaffneten Kampf am 1. September zu beenden und alle Einheiten auf Gebiete außerhalb der Türkei zurückzuziehen.“ Öcalan erinnert in seinem Aufruf daran, dass die PKK bereits vor einem Jahr, am 1. September 1998, einen einseitigen Waffenstillstand erklärt hatte, auf den die türkische Armee aber nicht reagiert hätte.
Auch während seines Prozesses hatte Abdullah Öcalan immer versucht, einen Aufruf zur Beendigung des bewaffneten Kampfes von Zugeständnissen des türkischen Staates abhängig zu machen. Damals beschwor er via Gerichtsverhandlung die türkische Regierung, ihm die Möglichkeit zu geben, sich mit seinen Leuten in Verbindung zu setzen und die PKK als legale politische Organisationen anzuerkennen. Für diesen Fall versprach er, „alle Kämpfer binnen drei Monaten von den Bergen zu holen“.
Von allen diesen Klauseln ist jetzt keine Rede mehr. „Die herrschende Konflikt- und Gewaltatmosphäre ist ein Hindernis für die Demokratie und die Verwirklichung der Menschenrechte“, ließ Apo gestern mitteilen. Durch den Aufruf, den bewaffneten Kampf bedingungslos einzustellen, „gebe ich meinem Glauben Ausdruck, dass damit der Weg für einen neuen Dialog geebnet und eine neue Verständigungsebene für eine demokratische Lösung hergestellt wird“.
Eine Stellungnahme der türkischen Regierung gab es zunächst nicht. Ministerpräsident Bülent Ecevit sagte gestern nachmittag gegenüber Journalisten, er sei über die Erklärung Öcalans noch nicht informiert. Aus den Reihen der PKK gab es zunächst ebenfalls keine Reaktion. Der kurdische Sender Medya, der Nachfolgekanal des verbotenen kurdischen MED-TVs, berichtete um 15 Uhr kommentarlos vom Aufruf Öcalans: „Der Führer der PKK hat eine Erklärung an die Weltöffentlichkeit abgegeben und die PKK aufgefordert, die Waffen niederzulegen.“
Die Erklärung Öcalans wurde gestern in Istanbul von vier Anwälten des PKK-Chefs der Öffentlichkeit vorgestellt. Dogan Erbas, der zurzeit als Sprecher der Anwälte auftritt, hatte am Montag Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali besucht und dort die Erklärung des PKK- Chefs überreicht bekommen. Auf die Frage, was Öcalan meine, wenn er die PKK aufrufe, sich in Gebiete außerhalb der Türkei zurückzuziehen, sagte Erbas, das müsse die Organisation selbst wissen. Zurzeit befinden sich bewaffnete PKK-Gruppen hauptsächlich im Nordirak und im Iran. Jürgen Gottschlich
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