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„Zdravstvujte – shalom – selam alejkum“

■ Afrobeats aus St. Petersburg: Fünf Russen und ein Kongolese zum dritten Mal in Berlin

„Markscheider Kunst“, das klingt nach Industrial oder Kulturhappening. Ist es aber nicht. „Markscheider Kunst“ sind fünf Russen und ein Ex-Zairer, die Ende der Achtziger an der Bergbauakademie des damaligen Leningrad Markscheiderei studierten – die Kunde von der Vermessung der Erdschichten. Und weil sie neben dem Interesse für Minen und Stollen auch das für die Musik teilten, gründeten sie eine Band: Kunst für Markscheider.

Zehn Jahre später haben die Markscheider dem Bergbau den Rücken gekehrt – und sich zu einer umwerfenden Band gemausert. Nach eigener Aussage spielen sie „afrokubanischen Rock, Soukous, karibische Rythmen, Ska und Reggae“, im finnischen Musikmagazin Rumba wurden sie als „die Les Negresses Vertes St. Petersburgs“ bezeichnet. All das stimmt – und reicht doch nicht, um Markscheider Kunst angemessen zu beschreiben.

Markscheider Kunst sind eine musikalisch-geografische Grenzerfahrung: fünf Weiße und ein Schwarzer, die ihren Lebensmittelpunkt in Nordeuropa haben, afrikanisch-karibische Musik spielen und dazu auf Russisch, Französisch und Suaheli singen. Ich habe sie zufällig vor ein paar Monaten auf einer Party erlebt, auf der ich eigentlich nicht lange bleiben wollte. Plötzlich war es fünf Uhr morgens, um mich herum tanzten alle, und in meinem Rucksack steckte die CD „St. Petersburg – Kinshasa“. Seitdem schallt es aus meiner Anlange: „Zdravstvujte – shalom – salam alejkum“. Oder aus dem Computerlaufwerk, auf der Scheibe sind nämlich auch zwei Videos und eine Markscheider-Fotosammlung drauf.

Grenzerfahrungen machen die Markscheiders übrigens auch ganz physisch. Gestern abend haben sie mir erzählt, wie glücklich sie sind, dass zumindest die russischen Mitglieder der Band dieses Mal mit dem Auto nach Berlin kommen konnten – mit gültigen Visa im Pass über Finnland und Polen. Seraphim, der kongolesische Sänger, musste dagegen fliegen, weil ihm die Transitländer keine Durchreiseerlaubnis ausstellen wollten – aus Angst, er könne versuchen, dort Asyl zu beantragen. Wenigstens waren die deutschen Visa diesmal schnell fertig – doch dass es sich die Markscheider beim nächsten Mal doch anders überlegen und lieber zu Hause in den Weiten Russlands oder Afrikas spielen, habe ich trotzdem in ihren Augen gesehen. Wer jetzt die Markscheider Kunst verpasst, läuft somit Gefahr, später auf meine Video-CD zurückgreifen zu müssen. Ich werde sie teuer verkaufen. Rüdiger Rossig

Am 5. 8. um 21 Uhr in der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97,6. 8., 23 Uhr Supamolly, Jessener Str. 41, 10. 8., 21 Uhr, Junction Bar, Gneisenaustr. 18

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