: NS-Verbrecher in Kinderhand
Spielzeuggeschäfte verkaufen Nachbildungen von NS-Kriegsverbrecher. Eine „Fehllieferung“, meint der Sprecher der Modellbaufirma Faller ■ Von Andreas Finke
Berlin (taz) – Die Fahnder der Jenaer Polizei hatten am Montag zwei Nazi-Größen im Visier, SS-Obersturmbannführer Otto Skorzeny und SS-Hauptsturmführer Joachim Peiper. Der eine – Mussolini-Befreier und Fluchthelfer von NS-Massenmördern – ist noch heute Idol in der Neonazi-Szene, der andere ließ 1944 amerikanische Kriegsgefangene in den Ardennen standrechtlich erschießen.
Fündig wurden die Beamten in einem Spielwarenladen der Vedes-Kette in der Jenaer Innenstadt. Inmitten von Modelleisenbahnen, Schwarzwaldhäuschen und Miniaturbrücken war ein Kunde auf die beiden gestoßen. Dort standen die Kriegsverbrecher – mit steifen Gesichszügen und den SS-Runen am Kragen ihrer Uniformen – zum Anmalen und Sammeln in zehn Zentimer Größe für 29,95 Mark – gegossen in Plastik.
Bei fünf weiteren Spielzeughändlern in Jena und Weimar fanden die Polizisten Sockelbüsten von Nazigrößen in Miniaturformat, am Arm Hakenkreuz und SS-Abzeichen prankend, frei zum Verkauf angeboten.
Was „Sammelliebhaber“ als Militaria bezeichnen und sich auch als Kriegsspielzeug bezeichnen läßt, hat die Staatsanwaltschaft Gera auf den Plan gerufen. Sie ermittelt nun wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen gegen die Modellbaufirma Faller. Gleichzeitig hat sie aus den Regalen der Spielwarengeschäfte weitere Modellbausätze mit Soldaten, Kriegsgerät und die authentischen Nachbildungen mit Waffen-SS, Hakenkreuzen und Totenkopfsymbolen im Maßstab 1:35 konfiszieren lassen.
Heidrun Richert, deren Regale leergeräumt wurden, kommentierte die Präsenz von nationalsozialistischen „Andenken“ in ihrem Laden mit den Worten: „Die Firma will die Sachen ja zurücknehmen. Sonst schwärzen wir halt die NS-Symbole.“ Eben diese Schwärzung sei für den deutschen Handel mit dem Tochterhersteller Dragon in Honkong vereinbart gewesen, teilte Faller-Sprecher Klemens Burghardt mit. Einen Rechtsverstoß will die Firma aber nicht begangen haben. Die Sammlerfiguren seien eine „Fehllieferung“ und hätten sich auf dem Vertriebsweg nach Deutschland verirrt.
Die Problematik mit Nazisymbolen sei seiner Firma sehr wohl bekannt. Er rechtfertigte die im aktuellen Faller-Katalog hinter den Floskeln „deutsche Grenadiere“ verborgenen Nachbildungen einer Hitlerjugend-Divison und einer SS-Totenkopfdivision – dort ohne NS-Symbole – mit dem Wert, den die Liebhaber von Weltjkriegsfiguren auf authentische Modelle legten.
Die betroffene Vedes-Handelskette beteuerte, ihre Einkaufsgenossenschaft von Einzelhändlern vertreibe kein Spielzeug mit Nazi-Charakteren oder -symbolen. „Allerdings“, distanziert sich Sprecherin Kristin Schmid vom Spielzeugsortiment in Jena und Weimar, „hat Vedes keinen Einfluss auf das Sortiment der 450 Fachhändler in Deutschland. Die Händler sind unabhängig und kaufen auch direkt bei Herstellern ein.“
Die Hände sind auch der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPJS) gebunden. Soldaten, Panzer und U-Boote im Spielzeugformat allein könnten die Prüfer nicht als kriegsverherrlichend einstufen. Die NS-Symbolik oder eine Anleitung zu einer Aktion, die den Krieg verherrliche, müsse hinzukommen: „Da reicht es nicht aus, wenn Kinder von sich aus die Soldaten aus dem Fenster werfen“, beschrieb Elke Monssen-Engberding von der BPJS die Schwierigkeit, kriegerisches Spielzeug zu indizieren.
Beim Gesamtverband des Deutschen Spielwaren-Groß- und Außenhandels schließt Geschäftsführer Walter Mackholt die Lieferung von Kriegsspielzeug aus. Er sagte der taz, Großhändler hätten Produkte, die zu kriegerischen Handlungen auffordern oder diese verherrlichen, nicht im Sortiment. Diese könnten nur über spezielle Handelsorganisationen mit rechtsradikalem Umfeld erworben werden.
Auch nach Ansicht des Deutschen Verbandes der Spielwaren-Industrie gibt es in Deutschland kein Kriegsspielzeug. Man betont sogar, daß sich darin der Markt deutschen Spielzeugs „wohltuend von ausländischen Spielwarenmärkten unterscheidet“. „Nicht Spielwaren, sondern Modelle, die für Sammler bestimmt sind, bilden maßstabsgetreu militärische Vorbilder ab“, sagt Geschäftsführer Volker Schmid. Kauflustige Kinder oder Jugendliche, die im Spielzeugladen um die Ecke mit NS-Figuren Krieg spielen können, sind für den Interessenverband der Vertreiber von Spielzeug scheinbar kein Problem: „Käufer der Modelle sind nahezu ausschliesslich Kriegsteilnehmer, die naturgemäß in fortgeschrittenem Alter sind.“
„Es reicht nicht, wenn die Kinder von sich aus die Soldaten aus dem Fenster werfen“, so die Sprecherin der Prüfstelle für jugendgefährdende Schriften
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen