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Knatsch um den Ladenschluss

■ Unterschiedliche Entscheidungen: Berliner Gericht untersagt den freien Verkauf am Sonntag. Schweriner Verwaltungsgericht bestätigt die sogenannte Bäderregel

Berlin (taz) Der Streit um den Ladenschluss beschäftigte gestern die Gerichte in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Einer der Vorreiter für den verkaufsoffenen Sonntag, die Kaufhof AG, trat indess den geordneten Rückzug an. „Wir werden auf keinen Fall geltendes Recht beugen“, verkündete Günter Biere, Geschäftsführer der Filiale am Berliner Alexanderplatz. Hier hatten am vergangenen Sonntag mehr als 50.000 Kunden die geöffneten Portale zum freien Shoppen genutzt, obwohl laut einer Berliner Verordnung nur sogenannter touristischer Bedarf hätte verkauft werden dürfen.

Das Berliner Verwaltungsgericht untersagte dem Kaufhaus, an Sonntagen abermals das komplette Sortiment anzubieten. Dies widerspreche dem nach wie vor geltenden Ladenschlussgesetz. Dagegen legte der Kaufhof Widerspruch beim Oberverwaltungsgericht ein. Geöffnet wird an diesem Sonntag aber nur, wenn das Oberverwaltungsgericht dem Widerspruch stattgibt, kündigte Biere an. Beobachter halten dies für unwahrscheinlich.

Das Verwaltungsgericht in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) dagegen entschied: In Rostock, Schwerin und Wismar können die Geschäfte vorerst weiter samtags nach 16 Uhr und sonntags ihre Waren feilbieten. Das Verwaltungsgericht lehnte damit einen Eilantrag gegen die so genannte Bäderregelung ab, die in diesen Städten seit 1992 gilt. Geklagt hatten zwei Kirchengemeinden, drei Einzelhändler, eine Geschäftsführerin und sechs Beschäftigte.

Am späten Nachmittag wollte gestern auch das Hallenser Verwaltungsgericht entscheiden, ob in der Saalestadt am Sonntag uneingeschränkt verkauft werden darf. Die Stadt hatte Ende Juli eine entsprechende Verfügung erlassen. Die Hallenser waren dabei spitzfindig: Sie beriefen sich auf Paragraph 23, der Öffnungen am Sonntag erlaubt, wenn sie „im öffentlichen Interesse dringend nötig werden“. Eine Regelung, die bundesweit jedes Jahr in der Adventszeit angewendet wird. Das Regierungspräsidium Halle kann jedoch solches öffentliche Interesse in den Sommermonaten nicht sehen und erklärte die Öffnungsverordnung für unwirksam.

Unterdessen zog die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft eine Bilanz der Ladenschlussliberalisierung aus dem Jahre 1996. Bis Ende 1998 seien mehr als 105.000 Vollzeitstellen und rund 113.000 sozialversicherungspflichtige Teilzeitsstellen weggefallen, sagte der stellvertretende DAG-Chef Hubert Gartz. Dies liege jedoch nicht unbedingt am Ladenschluss, konjunkturelle Gründe spielten ebenso eine Rolle, räumte der Berliner Chef der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Manfred Birkhahn, gegenüber der taz ein. Richard Rother

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