piwik no script img

Montenegro fordert Gleichberechtigung

■ Die Regierung der jugoslawischen Teilrepublik legt einen Verfassungsentwurf für einen Staatenbund mit Serbien vor

Belgrad (Reuters) – Montenegro will die Bundesrepublik Jugoslawien gründlich umgestalten, um mit den Serben gleichberechtigt zu werden. Nicht einmal der Name soll bleiben. Der Ministerpräsident des Bundeslandes, Filip Vujanovoc, sagte gestern in der Landeshauptstadt Podgorica, er rechne mit einer schnellen Verabschiedung der Reformvorschläge an Serbien im Landeskabinett.

Der Feldzug der jugoslawischen Serben gegen die Kosovo-Albaner hat die beiden Bundesländer weitgehend entfremdet. Montenegro will notfalls eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abhalten, falls Serbien die Gleichberechtigung verweigert.

Der 15 Seiten starke Verhandlungsentwurf für die Verfassungsreform war am Mittwoch von den Koalitionsparteien in Podgorica ausgearbeitet worden. Die Partei des Demokratischen Sozialismus, die Volkspartei und die Sozialdemokratische Partei beschlossen, dass die Bundesrepublik Jugoslawien in „Gemeinschaft der Staaten Montenegro und Serbien“ umbenannt werden müsse. Die beiden Staaten sollen eine eigene Außenpolitik verfolgen und eigene Währungen bekommen und in der Verteidigung nur so weit zusammenarbeiten, wie es dem neuen Verständnis Montenegros entspricht: Jede der beiden Republiken erhalten eigene Verteidigungsministe-rien, die im Wechsel für jeweils zwei Jahre für die ganze Gemeinschaft zuständig sein werden.

Soldaten aus Montenegro sollen ihre Heimat nicht verlassen dürfen. Nach dem Zerfall des alten Jugoslawien ab Anfang der 90er Jahre hatte die Bundesarmee auch Reservisten aus Montenegro in Kroatien und Bosnien eingesetzt. Die Gestellungsbefehle der Armee während des Kosovo-Feldzuges hingegen wurden in Montenegro ignoriert. Es meldeten sich allerdings einige Freiwillige für den Einsatz im Kosovo von Februar 1998 bis Juni 1999.

Das neue Staatsgebilde würde nach den Vorstellungen Montenegros ein gemeinsames Parlament mit einer Kammer erhalten, der gleich viele Abgeordnete aus Serbien und Montenegro angehören. Das Bundesparlament besteht aus zwei Kammern, deren eine, der Rat der Bürger, das Bevölkerungsübergewicht Serbiens widerspiegelt. Nur die andere Kammer, der Rat der Republiken, ist paritätisch besetzt. Parität soll auch für alle anderen Organe der neuen Gemeinschaft gelten.

Den Präsidenten der Gemeinschaft hätte das Parlament zu wählen, nachdem die Parlamente der beiden Mitgliedsrepubliken sich auf einen Kandidaten geeinigt haben. Die 23 Ressorts der Bundesregierung will die Landesregierung Montenegros auf sechs abschmelzen und die Regierung selbst in Ministerrat umbenennen.

Nach der Verabschiedung will Montenegro den Verfassungsentwurf umgehend an Serbien weiterleiten. Mit einer Antwort rechnet das Bundesland innerhalb von sechs Wochen.

Im Gegensatz zur Bundesrepublik Jugoslawien und dem Land Serbien hatte Montenegro an der internationalen Stabilitätskonferenz für den Balkan am 30. Juli in Sarajevo teilnehmen dürfen. Serbien soll nur internationale Wirtschaftshilfe erhalten, wenn der Serbe Slobodan Miloševic als Präsident zurückgetreten ist.

Seine großserbische Politik, die er als Präsident Serbiens vor zehn Jahren zu verfolgen begann, hat den Wunsch Montenegros nach Eigenständigkeit stetig größer werden lassen.

Nach der Räumung des Kosovo, die die Nato mit einem Luftkrieg erzwang, musste die Regierung in Belgrad im Juni die Kontrolle über die Provinz an die UNO und die internationale Friedenstruppe KFOR abtreten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen