: Südafrikas Polizei: Dein Folterknecht und Mörder
■ Die Reform der Polizei kommt in der gewalttätigen Gesellschaft kaum voran
Johannesburg (taz) – In Südafrika kommen auch Jahre nach dem Ende der Apartheid noch immer erschreckend viele Menschen durch polizeiliche Gewalt um. Nach einem gestern veröffentlichten Bericht des unabhängigen „Independent Complaints Directorate“ (ICD) starben zwischen März 1998 und Mai 1999 insgesamt 756 Personen vor, während oder nach der Verhaftung. Die Zahlen werfen allerdings nicht nur ein Licht auf die Methoden der Polizei, sondern auch auf die Gesellschaft, in der die Zahl der Gewaltverbrechen jeden Rekord schlägt.
88 Verdächtigte wurden erschossen, während sie ein Verbrechen begingen, 260 wurden während der Verhaftung getötet, 65 starben an Folgeverletzungen und 43 während der Verhöre. 46 Personen begingen Selbstmord im Polizeigewahrsam. Bei der ICD kann sich jeder über ungerechtfertigte Behandlung durch die Polizei beschweren. Vergangenes Jahr gab es fast 3.000 Beschwerden, 600 wegen schwerer Übergriffe. Hält die ICD eine Beschwerde für stichhaltig, leitet sie Ermittlungen ein, die mehrfach schon zu Suspendierungen führten.
Erst vor einigen Monaten hatten Aufnahmen der BBC Polizisten einer Sondereinheit gezeigt, die zwei am Boden liegende Autodiebe traten, einen Hund auf sie hetzten und dann eine brennende Zigarette auf dem Kopf des einen Mannes ausdrückten. Nachdem die Bilder um die Welt gegangen waren, wurden zwar mehrere Polizisten entlassen. Es riefen aber auch Hunderte aufgebrachter Bürger bei Polizei und Medien an, die dem Staat vorwarfen, der Kriminalität tatenlos gegenüberzustehen. Viele Südafrikaner, egal welcher Hautfarbe, haben angesichts der zunehmenden Gewaltverbrechen Verständnis für die Methoden der Polizei. Selbstjustiz wird vor allem in den Schwarzensiedlungen immer häufiger.
Die Transformation der Polizei vom Handlanger eines Unrechtsregimes zur rechtsstaatlichen Institution kommt kaum voran. Viele Polizisten sind unterbezahlt, schlecht ausgebildet und ohne rechtsstaatliche Kenntnisse. Erst 1998 wurden Mindeststandards für die Einstellung von Polizisten festgelegt. Bewerber müssen jetzt lesen und schreiben können und dürfen nicht vorbestraft sein. Die Arbeitsbedingungen sind unzumutbar. Oft gibt es nicht mal funktionierende Telefone. Auch muss jeder Polizist damit rechnen, selbst von Taschendieben erschossen zu werden. Seit 1994 wurden über 1.000 Polizisten im Dienst erschossen. Kordula Doerfler
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