: Schluss mit Bremerhavens Sonderweg
■ Inneres rechtfertigt Bremerhavens als „Schikane“ kritisiertes Vorgehen gegen Kriegsflüchtlinge – und beendet es zugleich / Ermittlungen in HB und BHV ergaben keine Hinweise auf Betrug
Die Extra-Behandlung von Kosovo-Flüchtlingen in Bremerhaven ist gestoppt. Kriegsflüchtlinge, die illegal nach Deutschland eingereist und in der Seestadt gelandet sind, brauchen jetzt keine Extra-Anzeige mehr wegen illegaler Einreise und eine damit verbundene Vorladung zur Kripo zum Zweck der erkennungsdienstlichen Behandlung zu fürchten. Das bestätigten jetzt der Staatsrat des Inneren, Wolfgang Goehler, und der Polizeidirektor Bremerhavens, Michael Viehweger, gegenüber der taz. Man habe damit das Vorgehen im Lande Bremen „vereinheitlicht“, hieß es.
Bremerhaven war vergangene Woche in die öffentliche Kritik geraten, nachdem sich der im Mai illegal eingereiste älteste Sohn einer kosovo-albanischen Familie, deren Vater seit Jahren allein in Bremerhaven lebt und arbeitet, mit einer kriminalpolizeilichen Vorladung konfrontiert sah. „Der Vater, der seit Jahren ohne seine Familie in Bremerhaven gelebt hatte, trägt alle Kosten für den Sohn“, hatte es im Anwaltsbüro Baudisch-Cimen geheissen. Man solle Kriegsflüchtlinge nicht schikanieren, „die ja wohl schlecht in Belgrad noch ein Visum für Deutschland beantragen konnten.“ Das Verfahren sei umso schwieriger nachzuvollziehen, als der junge Mann im Rahmen der Erteilung der Duldung ohnehin seine Fingerabdrücke hatte registrieren lassen müssen. Zudem habe er, wie bundesweit üblich, eine Duldung für mehrere Monate erhalten. Für den Mandanten komme diese Vorladung, „nach allem was er erlebt hat“, einer Tortur gleich. Die Bremerhavener Polizei hielt dagegen: „Wir müssen ermitteln.“
Zur Begründung für die Vorladung bei der Kripo hieß es, illegale Einreise sei ein Verstoß gegen das Ausländergesetz, da gebe es keinen Spielraum. Den sahen die Ausländerbehörden in Bremen, Berlin und München unterdessen durchaus: Man ermittele nur dann polizeilich, wenn es einen besonderen Anlass gebe – wie etwa, dass die betreffende Person in eine Kontrolle geraten sei, hieß es durchgängig.
So wird es – nach einem Bremerhaven-Besuch des neuen Innensenators Bernt Schulte (CDU) vergangene Woche – künftig auch in Bremerhaven sein. Man habe das bisherige Verfahren entsprechend „umgebaut“, hieß es. Ein Problem der Bremerhavener sei gewesen, dass die Ergebnisse der üblichen erkennungsdienstlichen Behandlung direkt bei Ankunft der Flüchtlinge zu lange auf sich warten ließen. Man habe das zusätzliche Kripo-Verfahren betrieben, um schnell über mögliche Doppelidentitäten Aufschluss zu erhalten. Nur so könne verhindert werden, dass Dritte sich die unübersichtliche Lage im Kosovo zu Nutzen machten, indem sie sich als Kriegsflüchtlinge ausgäben – die sie nicht seien. Allerdings räumte die Bremerhavener Polizeibehörde zwischenzeitlich ein, dass die bislang durchgeführten Ermittlungen diesbezüglich keinen Verdachtsfall ergeben hätten. Auch in Bremen habe die Prüfung von rund 150 Kriegsflüchtlingen aus dem Kosovo hinsichtlich möglichen betrügerischen Verhaltens nichts ergeben, so Innenstaatsrat Goehler. Hier sei eine Vorladung bei der Kripo überflüssig gewesen, weil das Ausländeramt durch ein eigenes Prüfverfahren schnell alle notwendigen Auskünfte vom Bundeskriminalamt erhalte.
Unterdessen zeichnet sich ab, dass die in Bremen untergekommenen Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo noch zurückhaltend auf das Angebot einer baldigen Rückreisemöglichkeit reagieren. Nur sehr wenige der rund 150 Kontingentflüchtlinge hätten eine Schnupperheimreise oder die Rückreisehilfe der Unterorganisation IOM der Vereinten Nationen bislang beantragt. Auch die Gruppe der übrigen, teilweise illegal eingereisten Kosovo-Flüchtlinge, verhalte sich abwartend, hieß es. Gleichwohl gebe es Bestrebungen, auch ihnen im Fall einer Heimreise Unterstützung anzubieten. Diese sei insbesondere bei der Beschaffung von Transit-Visa für Mazedonien wichtig. ede
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