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Lieber einäugig als blind bei Sonnenfinsternis

■  Weil Spezialbrillen rar sind, empfiehlt Augenexperte, sie zu zerschneiden und ein Auge zuzudrücken

Mitarbeiter im öffentlichen Dienst dürfen auf Anweisung von höchster Stelle heute wegen der Sonnenfinsternis eine Pause einlegen. Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat den Dienststellenleitern eingeräumt, allen Beschäftigen gegen 12.40 Uhr, dem Höhepunkt der Finsternis, ein paar Minuten freizugeben.

Da aber sämtliche speziellen Schutzbrillen ausverkauft sind, sollte der Senat eher von der Betrachtung des Naturereignisses abraten. So warnte die Apothekerkammer gestern vor dem Gebrauch „selbstgebastelter Schutzbrillen“. Eltern werde „dringend empfohlen“, Kinder nicht unbeaufsichtigt zu lassen, da deren Augen noch empfindlicher seien.

Eine Untersuchung des Bayerischen Landesamtes für Arbeitsschutz ergab, dass sämtliche diskutierten Alternativen zur geprüften Finsternisbrille – wie rußgeschwärzte Scheiben, Folien oder Lochblenden – keinen ausreichenden Schutz geben. So werde das Auge bei normalen Sonnenbrillen bereits nach sechs Sekunden gefährdet. Auch bei der Benutzung von CD-Roms oder metallbedampften Rettungsfolien aus Verbandkästen drohen schon nach weniger als zwei Minuten Augenschäden bis zur Erblindung.

Selbst bei den zu tausenden verkauften Schutzbrillen ist Vorsicht angebracht. Nur wenn sie mit einem „CE“-Zeichen versehen sind, gelten sie als sicher. Sie sollten aber auf keinen Fall beschädigt sein. Auch sollte selbst bei Schutzbrillen, der Lidschlussreflex, der die Netzhaut des Auges vor einer thermischen Zerstörung schützt, nicht unterdrückt werden.

Einzige sichere Alternative zu den speziellen Sonnenfinsternisbrillen sind nach der bayerischen Untersuchung „Schweißschutzfilter mit Schutzstufe 13 und höher“. Doch auch die sind, so ergab eine Umfrage der taz bei Baumärkten, schon ausverkauft.

Bei einer Verbrennung der Netzhaut durch die Sonnenstrahlen gebe es keine Notfallmaßnahmen, die den Schaden begrenzen könnten, betonte der Chef der Augenklinik des Klinikums Benjamin Franklin, Michael Foerster. Bei einer Verbrennung würden Betroffene zwar kaum Schmerzen spüren, könnten aber manche Dinge nicht mehr richtig scharf sehen. Auch die Farbwahrnehmung könnte dauerhaft beschädigt werden.

Für Finsternisfans ohne Schutzbrille hat Foerster zwei Tips. Ein stecknadelgroßes Loch in einer Pappe ermöglicht die Projektion auf ein weißes Blatt Papier. Mit etwas Probieren findet sich schnell der richtige Abstand für eine klare und vor allem ungefährliche Projektion, die den Weg des Mondes vor die Sonne sichtbar macht. Auch sei es möglich, die knappen Spezialbrillen mit jemanden zu teilen und ein Auge feste zuzuhalten, so Foerster. Es sei besser die Finsternis nur mit einem Auge zu beobachten, als blind zu werden.

Vielleicht braucht man heute aber auch gar keine Brille. Denn die Metereologen sind sich uneins, ob Sonne und Mond ihr Rendezvous nicht hinter Wolken abhalten. „Dank größerer Wolkenlücken stehen die Chancen nicht schlecht, die Finsternis zu beobachten“, gab sich der Wetterdienst „MC-Wetter“ optimistsich. Der Konkurrenz „Meteofax“ meldete hingegen, dass die Bewölkung „voraussichtlich nur zögernd auflockern“ werde, so dass die Eklipse „nur mit Glück“ längere Zeit zu sehen sein dürfte. Gereon Asmuth

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