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Kleinodien und andere Gemeinheiten

■ Die Hamburger (Künstler-) Akademie Isotrop hat die Gesellschaft für Aktuelle Kunst in ein Schlachtfeld verwandelt

Auf ein Kriegsspiel war kaum jemand vorbereitet. Rauch und infernalischer Lärm qualmten und hallten durch die Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK). Es gab Alarm. Die Feuerwehr rückte an. Ein Riesenstress. Ein Riesenspaß. Und irgendwie soll es auch ganz interessant gewesen sein. Sagt jedenfalls die GAK-Leiterin Eva Schmidt, die noch heute die Spuren dieser Kriegsspiele und anderer Kreativ-Schübe in ihrer Galerie beherbergt.

Verantwortlich dafür ist die Hamburger Künstlergruppe Akademie Isotrop. Seit 1996 gibt es sie. Um die 20 junge KünstlerInnen, KunstkritikerInnen und FilmemacherInnen haben sie damals gegründet. Seither organisieren sie ihr Studium selbst, weil sie entweder an der staatlichen Akademie nicht aufgenommen wurden oder es sowieso unter eigener Regie besser können.

Die Akademie ist virtuell. Eine Abbildung in der unregelmäßig erscheinenden Isotrop-Zeitschrift zeigt den Akademie-Grundriss. Doch der ist „nur“ eine Montage aus den Wohnungen der Isotrop-Mitglieder. Nicht virtuell dagegen ist die Isotrop-Galerie „Nomaden-oase“ in Hamburg. Und alles andere als virtuell ist die Aufmerksamkeit, die der Kunstbetrieb den IsotroplerInnen schenkt: Er stürzt sich schon fast mit einer Neugier auf sie wie auf die neue britische Kunst. Als „normale“ StudentInnen an einer „normalen“ Akademie hätten es die MittzwanzigerInnen jedenfalls nicht zu Ausstellungen in gleich mehreren namhaften Galerien gebracht.

Atelieratmosphäre in der Gesellschaft für aktuelle Kunst. Im Gegensatz zur grau gelackten Sauberkeit in den Etagen des Neuen Museums Weserburg wirkt die GAK unten im Hochparterre so, als hätten die KünstlerInnen gerade Pinsel und Farbe und Sperrmüllmaterial stehen gelassen und sich zur Mittagspause verzogen. Es riecht nach Farbe und weiß ich was. Der ganze Raum ist gefüllt mit einem Kabinett von Kuriositäten. „Evolution, Revolution, Exekution“ ist es überschrieben. Man sollte das alles nicht so ernst nehmen. Man kann es aber.

Der Abschnitt Evolution ist ein Iglu-Netz-Geflecht mit Fabeltieren, Papiermaschinchen, eilig bemalten Tellern. Ganz unbekümmert hat sich hier der homo ludens ausgetobt. Für die jungen KünstlerInnen, die ihre Arbeiten nicht signieren und doch jeweils eigene Handschriften haben, scheint die „Evolution“ nur so etwas wie die Kinderstube für ihr Thementrio zu sein. In den hinteren Bereichen „Revolution“ und „Exekution“, also dort, wo der Mensch dominiert, geht schon härter zur Sache und wird auch inhaltlich fundierter.

Die IsotroplerInnen arbeiten mit Fragmenten, Zitaten, Readymades und rühren alles zu einer in Maßen auf Schockeffekte zielenden, aber an anderen Stellen einfach witzigen Bilderflut. In der Abteilung für Revolutionsdeutungen hängen großformatige, auf Rollen geklebte Autofotos von der Decke. An den Wänden sind graue Arbeitskittel mit den Namensschildern der „Revolutionäre“ Sartre, Zorro, Egon Bahr oder Nam June Paik befestigt. Unter einer Bühne versteckt sind Styroporfabriken, und in einem Regal stehen mit Buchetiketten beklebte Wodkaflaschen herum. Es sind Titel aus dem (un-) modernen Antiquariat. Ein Beckett, ein Buch aus der Reihe „Immaterielle Arbeit und Subversion“. Nur ein Scherzbold unter den IsotroplerInnen hat sein „Wässerchen“ mit dem Signet „Euro in der Klemme“ versehen.

Isotrop hat eine genau dosierte Mischung aus Anspielungen, Klügeleien und Unverstehbarkeiten hergerichtet. In einer Ecke spielt die Gruppe auf ein Engels-Zitat an (sinngemäß: Man versteht nur, was der Pudding ist, wenn man ihn isst). In einer anderen schockt sie mit einem Foto des 1993 in Bad Kleinen erschossenen RAF-lers Wolfgang Grams. Und gleich daneben läuft ein Video von einer spanischen Osterprozession und den Büßern mit ihren Ku-Klux-Klan-Spitzmützen.

Was so unbekümmert mit der „Evolution“ beginnt, verwandelt sich im hinteren Teil der GAK in eine Kathedrale des irdischen Elends. Halb als Neo-Dada und Neo-Fluxus, halb in der Bildsprache von Enzyklopädisten wie Aby Warburg oder Gerhard Richter haben die IsotroplerInnen ihr Thementrio bearbeitet. Entstanden ist keine Ironisierung oder gar Verballhornung von Kunst oder des Kunstbetriebs, sondern ein anregend-verwirrendes Bilderflut-Schlachtfeld mit ungezählten Kleinodien und anderen Gemeinheiten. ck

Akademie Isotrop „Revolution, Evolution, Exekution“ bis 12. September in der GAK. Zur Finissage stellt die Gruppe am 12. September die fünfte Nummer ihrer Zeitschrift Isotrop vor.

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