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Kein Geld für neue Straßenschilder

■  Überall wird die neue Rechtschreibung gepredigt, doch auf den Straßen bleibt alles beim Alten: 150 Mark für jedes zu ändernde Schild sind dem Senat zu teuer. Wer seinen Personalausweis ändern lassen will, muss die Kosten dafür selbst tragen

„Mama, wieso steht denn da Schloßstraße? Das ist doch falsch. In der Schule schreiben wir Schlossstraße.“ Eltern müssen sich dieser Frage künftig öfter stellen, da die neue Rechtschreibung laut Kultusministerkonferenz nur Schulen und Behörden betrifft, nicht aber Straßenschilder, auf denen reformbedürftige Straßennamen stehen.

Anne Rother, Pressesprecherin der ständigen Vertretung der Kultusminister, empfiehlt jedoch, beschädigte Schilder in reformierter Rechtschreibung zu erneuern. Dann gäbe es neben alten Schildern wie „Nußbaumstraße“ und „Delphinstraße“ auch neue Straßenschilder wie „Schifffahrtskanal“ und „Blässhuhnweg“.

Da es ja in jeder Straße nicht nur ein Schild gibt, könnten künftig an einer Kreuzung Straßenschilder mit unterschiedlicher Schreibweise stehen. Wenn ein Schild kaputt geht, profitiert Ottfried Lehmann davon.

Er ist Schilderhersteller in Berlin-Mitte und wird die neuen Schilder anfertigen – obwohl er selbst die Reform „total doof“ findet. Aber es bringt Aufträge. Ein Schild kostet 100 bis 150 Mark. Sollte der Senat wider Erwarten doch das Geld zur Kompletterneuerung der Straßenschilder investieren, könnte er seinen Kleinbetrieb innerhalb einer Woche auf Großproduktion umstellen.

150 Mark für jedes zu ändernde Schild sind dem Senat jedoch bisher zu teuer. Petra Reetz, Pressesprecherin der Senatsbauverwaltung, glaubt nicht, dass die Stadt verpflichtet ist, die Schilder bis 2005, dem Stichtag, bis zu dem beide Schreibweisen möglich sind, zu erneuern. „Laut Verkehrsordnung gilt die internationale Rechtschreibung, was bedeutet, dass Eigennamen sowieso nicht eingedeutscht werden dürfen.“ Was mit den anderen Straßenschildern passiert, die nicht zu Straßen gehören, die nach großen Persönlichkeiten benannt sind, weiß sie nicht: „Das haben wir noch nicht zu Ende gedacht.“

Die Bezirksämter sehen die Rechtschreibreform auf Berliner Straßen am Geld scheitern. So erklärt Karin Rietz von Bezirksamt Mitte, dass man sich zwar im Amt strikt an die neue Rechtschreibung halte, das vorhandene Geld aber einfach für wichtigere Sachen benötigt würde. „Sollten wir Zuschüsse vom Land und die Anweisung dazu bekommen, würden wir dem auch nachkommen. Aber eigene Ambitionen, alle betroffenen Straßenschilder auszuwechseln, haben wir nicht.“ In Kreuzberg sieht man die Lage ähnlich: „Da ist nichts geplant. Wo sollen wir denn das Geld hernehmen? Ehrlich gesagt, ist bei uns die Frage nach neuen Schildern noch gar nicht aufgetaucht“, so eine Mitarbeiterin.

Auch das Landeseinwohneramt hat sich noch keine Gedanken über die Änderungen gemacht. Rechtschreibreformfans möchten vielleicht nicht mehr mit der alten Schreibweise ihrer Adresse im Personalausweis leben. Doch für die Änderungen ist kein Etat vorgesehen. So muss derjenige, der lieber in der Schlossstraße“ als in der „Schloßstraße“ wohnt, die Bearbeitungsgebühr selbst aufbringen.

Moderne Eltern werden das Geld wohl investieren müssen, wollen sie vor ihren Kindern nicht konservativ dastehen. Droht in ein paar Jahren der große Generationskonflikt? Nicht nur Klamotten, Einstellungen, Frisuren oder die bevorzugten Fernsehsendungen am Abend werden die Kluft zwischen Eltern und Kindern definieren, sondern auch die Rechtschreibung. Die Mitarbeiterin im Bezirksamt Kreuzberg sagte: „Rechtschreibung ist Privatsache.“ Susanne Klingner

„Laut Verkehrsordnung gilt die internationale Rechtschreibung, was bedeutet, dass Eigennamen sowieso nicht eingedeutscht werden dürfen.“

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