■ Belgrads junge Oppositionelle und die serbisch-orthodoxe Kirche: Zum Glück ohne Schwarzkittel
Was ein Glück, die Popen bleiben fern! Das hätte noch gefehlt, dass die Schwarzkittel der orthodoxen Kirche auf von jungen Menschen dominierten Demonstrations-Happenings auftreten. Es spricht gegen die Oppositionsführer Zoran Djindjic und Vuk Draškovic, dass sie die Kirchenoberen im Kampf gegen das Miloševic-Regime einspannen wollen. Denn die Popen bieten kein Dach für Friedensbewegte. Sie haben nichts gemein mit den kirchlichen Protestbewegungen im realsozialistischen Osten der 80er Jahre. Nichts verbindet sie mit den kalvinistischen Basisgruppen in Ungarn, den Solidarnosc-Priestern in Polen oder den DDR-Friedenswerkstätten.
Nein, die serbische Orthodoxie will nur die Gunst der Stunde nutzen, um sich von Schuld und Kriegsverantwortung reinzuwaschen. Der über 80jährige Patriarch Pavle fordert jetzt, daß Miloševic abdankt, weil er unter dessen Regime nichts mehr zu gewinnen hat. Solange der Präsident als Kriegsherr erfolgreich war, setzten die Kuttenmänner auf ihn. Es war der Patriarch, der nach den Eroberungsfeldzügen in Slowenien, Kroatien und Bosnien die serbischen Truppen segnete. Und auch heute scheut Pavle keine Mühen, um zu feierlichen Anlässen nach Serbisch-Sarajevo zu reisen und die Nationalisten anzustacheln, den serbischen „Lebensraum“ zu verteidigen – selbst zu einer Zeit, als der bosnische Serbenführer Karadžic bereits als Kriegsverbrecher vom UN-Tribunal in Den Haag gesucht wurde.
Da schließt sich der Kreis: Auch der Mittvierziger Zoran Djindjic, der in den deutschen Medien als Hoffnungsträger gefeiert wird, machte damals keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Karadžic. Wann immer der Schreibtischmörder Zoran aus Belgrad einlud, kam dieser glückselig nach Serbisch-Sarajevo gefahren, um die Weltlage zu besprechen. Damals war auch Djindjic auf dem Trip „Dem serbischen Volk muss Gerechtigkeit widerfahren“.
Obwohl der Mann mit dem netten Lächeln dies in tadellosem Deutsch sagte, wollte es manch einer in den Bonner Amtsstuben nicht wahrhaben, dass auch Djindjic von einem – umschreiben wir es – größeren Serbien träumte. Sicher, er wollte dies mit anderen Methoden erreichen als Miloševic, mit weniger Blutvergießen. Doch das ist zu wenig, um Serbien heute nach Europa zu führen. Das Verliererland auf dem Balkan braucht keine Pfaffen und keine Wende-ohne-Ende-Oppositionellen. Für Nachkriegs-Jugoslawien stimmt der abgedroschene Spruch tatsächlich: Trau keinem über 30. Karl Gersuny
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