: Alles nur Neoliberalismus
■ Thomas Lenius vom BUND glaubt, dass klare gegensätzliche Interessen nicht durch Schmusen überwunden werden können
Formvollendete Sätze zur grünen Umweltpolitik ist man von Reinhard Loske, dem umweltpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, gewöhnt. Nur leider geht das unter seiner Federführung entstandene Papier „Erneuerung grüner Umweltpolitik“ am Kern der Frage vorbei, wie die Umweltpolitik flott gemacht werden kann.
Zu einer ehrlichen Analyse des bisher Erreichten ist Loske nicht in der Lage. Erschreckenderweise entfernt sich Deutschland nämlich auch unter Rot-Grün immer mehr von seiner einstmaligen Vorreiterrolle in Europa. Umweltpolitik im Kabinett darf bei den Grünen nicht allein Trittins Job sein, sondern Aufgabe aller. Aber solche klaren Forderungen fehlen im Papier.
Auch um die Bewertung der bisherigen Arbeit des Bundesumweltministeriums drückt sich Loske herum. Die politische Spitze des Bundesumweltministeriums, bilanzierte stattdessen der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor einem Monat, habe es „nicht vermocht, den Sachverstand außerhalb des Ministeriums, bei den eigenen Fachbehörden, den Bundestagsfraktionen, Hochschulen und den Umweltverbänden zu erschließen. Die Kommunikationsstrategie des Ministeriums – und teilweise auch der für das Umweltthema verantwortlichen Mitglieder der Regierungsfraktionen – ist stark verbesserungsbedürftig, um die erforderliche Akzeptanz für politische Maßnahmen aufbauen zu können.“
Loskes Forderung nach einer Politik der Nachhaltigkeit ist nicht neu, neu ist jedoch ihre Definition im neoliberalen Sinne. Loske sieht Nachhaltigkeit vor allem als notwendige technische Entwicklung, mit der er dann Deutschland als Exportweltmeister etablieren und die gesamte Welt retten will.
Dabei soll die Industrie umgarnt werden. Konsequent zu Ende gedacht: Es soll keine Konflikte mehr geben, nur noch Konsens. Nichts gegen Konsenslösungen oder gar Verhandlungen. Die Umweltverbände und auch die Grünen diskutieren seit den frühen 80er Jahren beispielsweise im Rahmen von Dialogveranstaltungen mit der chemischen Industrie. Loske hat das nicht zur Kenntnis genommen, sondern gleich festgestellt, dass frühere „Feindbilder“ sich in „Vorbilder“ verwandelt hätten. Dabei ist das eine wie das andere falsch. Bei der Auseinandersetzung mit der chemischen Industrie geht es um klare Interessenkonflikte, die sich nicht durch Schmusen überwinden lassen.
Loske scheint vergessen zu haben, dass die Grünen als politische Partei und nicht als Volkshochschulprogramm gewählt worden sind. Dem Papier fehlt jedwede politische Vision. Thomas Lenius ‚/B‘Mitglied der Grünen und Chemiereferent beim BUND
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen