Denkmale aus Beton

Die Kulturbehörde will ausgewählte Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg unter Denkmalschutz stellen  ■ Von Gernot Knödler

Volker Plagemann hat es als Vierjähriger noch selbst erlebt. „Ich habe brennende Menschen gesehen und Mütter mit toten Kindern in ihren Rucksäcken“, erinnert sich der Amtsleiter der Kulturbehörde. Manch einen von Hamburgs mehr als 1000 Luftschutzbunkern aus dem Zweiten Weltkrieg kennt Plagemann von innen. Die Kulturbehörde will die wichtigsten Schutzbauten jetzt in die Liste zu schützender Denkmale aufnehmen.

An allen Ecken und Enden Hamburgs sind heute noch die Bunker des Zweiten Weltkriegs zu sehen: in vielen dichtbesiedelten Stadtteilen, eingereiht in die Häuserzeilen, manchmal im Hinterhof, zuweilen an prominenten Stellen der Stadt.

Den Rundturm an der Moorweide gegenüber dem Dammtorbahnhof zum Beispiel halten viele eher für einen Wasserturm. Kein Wunder: Das Sockelgeschoss ist mit Naturstein umkleidet, die Wand darüber mit roten Ziegeln. Die schwere Tür zum Bahnhof hin ist mit eisernen Bändern beschlagen, das Gesims unter der Dachtraufe in kleine Rechtecke gegliedert. Der Bunker ist als solcher kaum zu erkennen. Lediglich die kleinen Lüftungsstutzen überall geben einen Hinweis.

Warum die Nazis ihre Bunker so aufwendig gestalteten, ist nicht eindeutig geklärt. Zum Teil bauten die Architekten wohl für die Zeit nach dem Endsieg, spekuliert Eckart Hannmann, der Leiter des Hamburgischen Denkmalschutzamtes. Die Betonklötze sollten das Stadtbild so wenig stören wie möglich.

Ein weiterer Grund mag die Tarnung gewesen sein. Um das bombensichere Luftschutzhaus Döhnerstraße Ecke Dobbelersweg in Hamm zum Beispiel sind mehrere schlichte Beton-Gesimse gelegt, die eine spätere Klinkerverkleidung tragen sollten. Wegen des Krieges kam es dazu nicht. Stattdessen wurden Klinker und Fenster auf den Bunker gemalt, auf dass er sich von den benachbarten Wohnhäusern nicht unterscheide. Hamm ist ein Beispiel dafür, dass das nicht nötig gewesen wäre: Von den Gründerzeit-Häusern des Viertels hat kaum eines die Bombenangriffe der Alliierten überstanden. Bloß die Bunker blieben stehen.

„Wenn man sagt, ein Bunker ist ein Kulturdenkmal, dann sträubt sich in einem etwas“, räumt Hannmann, der Chef der Denkmalschützer, ein. Eher schon seien sei Denkmäler der Unkultur: Zwangsarbeiter und möglicherweise auch KZ-Häftlinge errichteten sie für angebliche Arier. Juden und Zigeuner hatten keinen Zutritt.

Daneben sind die bewußt gestalteten Schutzbauten für Hannmann kulturgeschichtlich interessant: Auch die Türme mittelalterlicher Städte und die kunstvoll angelegten Bastionen der Renaissance seien immer schon Gegenstand der Forschung gewesen. „Da ist es eine logische Folge, die Zivilschutzbauten aus der Nazizeit in diesem Kontext zu behandeln“, sagt der Denkmalschützer.

Wenn einzelne alte Besucher verstört aus dem Möbel-Geschäft am U-Bahnhof Barmbek fliehen, wie der Juniorchef berichtet, dann zeigt sich noch etwas anderes: Die Bunker sind nicht ersetzbare Zeugen der Vergangenheit. Auf der überfüllten Wendelrampe in dem Rundturm standen die heutigen Senioren vor fast 60 Jahren eng aneinandergepreßt, während der Betonkegel von den Schlägen der Bomben wackelte. „So was kann nur ein authentisches Geschichtszeugnis vermitteln“, glaubt Hannmann.