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Verbotene Liebe

Wenn das Urlaubssouvenir zur Straftat wird: Der Hamburger Zoll wacht streng über den Artenschutz  ■ Von Hubert Bätz

Freitag, 11.15 Uhr, Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel: Ankunft des Fluges BN 969 aus Punta Cana, Dominikanische Republik, am Terminal 1. Gelangweilt beobachtet Zöllner Mike Körner (Name geändert) an der Gepäckausgabe die Passagiere. Ein urlaubsgebräuntes Paar, Mitte Vierzig, weckt seine Aufmerksamkeit. Recht zögerlich pflücken die beiden ihren großen Hartschalenkoffer und die rote Tasche vom Band. Als sie sich der Menschentraube in Richtung Ausgang anschließen wollen, werden sie von Körner gestoppt: „Bitte folgen Sie mir.“

In einem kleinen fensterlosen Raum müssen sie Koffer und Tasche öffnen. Zwischen Schmutzwäsche und Kosmetika kommen zwei Stücke zum Vorschein, die den Zöllner interessieren. Eine Lederhandtasche mit auffälligem Schuppenmuster und ein länglicher Kakteenast, der beim leichtesten Schütteln wie prasselnder Regen klingt. Bei der Handtasche prüft der Zöllner mit den Fingerspitzen kurz den Verlauf der schuppenartigen Struktur, dann konsultiert er sein Bestimmungsbuch. Das Schlangenleder erweist sich als Haut der seltenen Felsenphyton. Was dann kommt, ist für Körner Routine: Personalienfeststellung und Beschlagnahme der Handtasche.

Felsenpython oder Baumsteigerfrosch, Fechterschnecke oder Molukken-Kakadu haben eines gemeinsam – sie gehören zu den Tieren, die der deutsche Zoll schützt. Die Ein- und Ausfuhr von Fellen, Leder, Häuten oder Elfenbein zu kontrollieren ist ebenso seine Aufgabe wie die Suche nach Drogen oder unverzollten Waren. Für den Artenschutz aktiv ist die Zollbehörde, seit die Bundesrepublik Deutschland am 20. Juni 1976 das „Washingtoner Artenschutzabkommen“ unterzeichnete.

Mit ihrem Beitritt verpflichten sich die Staaten, den Handel mit rund 8000 Tierarten, die in ihrem Bestand gefährdet sind, zu überwachen. Und etwa 40.000 Pflanzenarten zu schützen – deshalb muss an diesem Freitag auch der Kaktus, der „Rainstick“, dran glauben. Zwar können Touristen den „Regenmacher“ in den Läden ihres Gastlandes oder auch als Importware in Hamburg kaufen – fehlen aber Ein- und Ausfuhrgenehmigungen, und ist der Stick gar aus dem Holz geschützter Arten, wie zum Beispiel dem Igelsäulenkaktus, so wird er von den Zollbeamten sofort eingezogen. Es folgen Strafverfahren und Bußgeld.

Letzteres wird erlassen, wenn die Sünder nachweisen können, in völliger Unkenntnis gehandelt zu haben. „So oder so ähnlich verlaufen fast immer diese Sicherstellungen“, bestätigt Jürgen Schulz, Leiter der Abferti-gungsstelle Reiseverkehr am Hamburger Flughafen. „Zwischen zweihundert und dreihundert solcher Aufgriffe“ habe man in den vergangenen zwei Jahren vorgenommen. „Tendenz steigend“, sagt Schulz und nennt als Grund den „Anstieg des Ferntourismus“.

Dem Artenschutzabkommen sind bis heute mehr als 130 Staaten beigetreten. Ursprünglich war die Vereinbarung besonders gegen den organisierten Großhandel zum Beispiel mit Elfenbein oder exotischen Lederwaren gerichtet, der fast zur Ausrottung der Elefanten und zum Verschwinden von Krokodil- und Schlangenarten beigetragen hat. Inzwischen geraten zunehmend Touristen ins Visier zöllnerischen Interesses. Für den Erfolg des Abkommens, meint Schulz, sei es wichtig, „möglichst kaum Ausnahmen zuzulassen, auch wenn Touristen dadurch schon einmal in die Mühlen der Bürokratie“ geraten könnten.

„Was die Tiere betrifft, wo liegt da der Unterschied, ob ein Händler das hier einführt oder an Touristen im Land verhökert“, sagt Schulz. „Das Tier muß so oder so für Haut oder Fell, Horn und was es da sonst noch Verwertbares gibt, das Leben lassen.“ Es ärgert ihn „schon gewaltig, wenn sich Leute in den Urlaubsländern von gerissenen Souvenirhändlern beschwatzen lassen, obwohl sie es besser wissen müßten“. Da Presse, Funk und Fernsehen ausreichend darüber informierten, dass Elfenbeinfiguren, Schlangenlederschuhe oder Krokotaschen zum Artentod beitragen, kennt er bei Ausreden von Touristen kaum Pardon.

Schwierig sei es, so Jürgen Schulz, manchmal „bei den typischen Strandsammlern“, die zum Beispiel in der Dominikanischen Republik die glänzenden Gehäuse der Fechterschnecke aus Unkenntnis mitnähmen. Auch wenn diese dort häufig vorkommt, wird das Schneckenhaus beschlagnahmt, denn auch hier könne der Zoll keine Ausnahme machen. Die geschützte Riesenschnecke sei für die Karibik wichtig, denn „sie frißt Seesterne. Und die wiederum können Korallenbänke zerstören“. Michael Kramer, Pressesprecher bei der Oberfinanzdirektion, Abteilung Zoll, hat für alle Touristen eine einfache Lösung parat, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen: „Nichts mitnehmen, in der Natur sind die meisten Dinge sowieso dort am schönsten, wo sie hingehören. Und außerdem: Ein Foto tut's manchmal auch.“

Wers dennoch nicht lassen kann, muss nicht nur eine Einfuhrbescheinigung nach Deutschland, sondern auch eine Ausfuhrbescheinigung des betreffenden Landes besitzen. Besonders wichtig, warnt Schulz, sei aber die Einfuhrgenehmigung, „denn die ärmeren Länder lassen schon aus Devisengründen mal was eigentlich nach dem Artenschutzabkommen Verbotenes ausführen. Was aber nicht heißt, dass wir die Einfuhr gestatten müssen“.

Wie viele Reisende sich diesem Formularzwang verweigern, zeigen die im Hamburger Zollmuseum (Freihafen, Alter Wandrahm 15a-16) ausgestellten beschlagnahmten Objekte. Ausgestopfte Mäusebussarde und Falken tummeln sich neben verschrumpelten Eidechsen und handgroßen präparierten Krokodilen; komplette Sammlungen tropischer Schmetterlinge finden sich, Schnitzereien aus Elefantenstoßzähnen oder Nashorn, Tigerfelle, Schlangenledergürtel, Korallen oder Papageienfedern. „Hier landet unheimlich viel, manches verschenken wir auch an andere Sammlungen“, sagt Zollamtmann Arnes Petrick. „Besondere Scheußlichkeiten, wie das da, heben wir zur Abschreckung auf.“

„Das da“, entpuppt sich als ein Tisch aus vier Elefantenfüßen und einer Teakholzplatte. Hartgesottene, die selbst das nicht schreckt, lassen sich vielleicht durch Michel Kramers Bericht von den selteneren Beschlagnahmungen lebendiger Tiere durch den Zoll beeindrucken. „Diese kommen zwar nicht häufig vor“, wie Kramer berichtet, „da Hamburg im Gegensatz zum Frankfurter Flughafen wenig Direktflüge hat.“ Die „Importeure“ bevorzugten Frankfurt, „weil sie nur verdienen, wenn ihre Tiere überleben“. Unter welchen Qualen allerdings, das scheint ihnen, erzählt Kramers, „beinahe egal zu sein“. Denn es kommt vor, daß die 44 Zöllner „dann Vogelspinnen, zusammengepfercht im Joghurtbecher, Schildkröten aus Tunesien, gestapelt in Pappkartons, oder Papageien mit um die Schnäbel gewickelten Klebestreifen finden“.

Für diese mehr oder weniger lebendige Ware müssen die Hamburger dann eine Bleibe suchen. Meist helfen hier Zoologische Gärten; manchmal sind es auch „zuverlässige Privatpersonen, die auf Exoten wie die genannten Vogelspinnen spezialisiert sind“, die sich um die geschundenen Kreaturen kümmern.

Im Hamburger Hafen übrigens, für den der Zoll ebenfalls zuständig ist, gebe es im Bereich Lebendware kaum Verstöße: „Den Matrosen, der einen lebenden Affen einführt, den gab's mal“, stellt Kramer zufrieden fest. „Internationale Crew und die Information der Mannschaften durch die Reedereien verhindern weitgehend, daß der Zoll hier beim Artenschutz tätig werden muß.“ Auch mit dem Gewerbe, zum Beispiel Pelzhändlern, habe der Hamburger Zoll kaum Schwierigkeiten – die hielten sich überwiegend an die Ein- und Ausfuhrbestimmungen.

„Unsere Probleme verstecken sich im Gepäck der Touristen“, sagt Zollfahnder und Artenschützer Jürgen Schulz. Gleich könnte es am Flughafen wieder Arbeit geben, denn nun steht Bangkok auf der Ankunftstafel. Und dann finden sich des Öfteren Figuren wie Elefanten und kleine Buddhas aus Elfenbein als unerlaubte Reisemitbringsel im Gepäck.

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