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Bremen für 'nen Heiermann neu erleben

■ Der Bremer Sachbuchverlag Kellner hat einen neuen Stadtführer im Westentaschenformat auf den Markt gebracht

Wer je als TouristIn durch eine fremde Stadt gehechelt ist auf der Suche nach Eiffeltürmen, Petersdomen, Stadtmusikanten und diesem ganzen Zeug, der wird das neue Angebot des Sachbuchverlags Kellner zu schätzen wissen. Denn schon schwer genug hat man zu schleppen an Fotoapparat, Stativ und diversen Objektiven samt Farbfiltern, als dass man noch gern die üblicherweise kiloschweren Stadtführer hinter sich herziehen möchte. Der neue Kellner-Stadtführer „Bremen Pass von a bis z“ wiegt wenig mehr als ein vollgeschnuftes Taschentuch, hat aber trotzdem 160 informativ beschriebene Seiten. Wie das geht?

Das Buch ist so klein, daß man es problemlos in der Wangentasche mit sich tragen kann. Nichtsdestotrotz enthält es, nach Stichworten alphabetisch sortiert, alles, was ein Bremen-Stadtführer so braucht. Der Dom kommt also nicht nur einmal vor. Das Schnoorviertel findet ausgiebig Erwähnung. Und mehrere Rundgänge der Preislage „nach links in die Herderstraße, nach rechts in die Schönhausenstraße, wieder rechts in die Horner Straße“ laden dazu ein, sich hoffnungslos im Viertel zu verlaufen oder stilecht im Teufelsmoor zu versinken.

Wo es nur geht, verleiht der Reiseführer der Stadt das Prädikat „schön und interessant“, was zweifellos ganz schön interessant ist, einem aber auf Dauer ein wenig auf den Zeiger geht. Der Space Park wird bereits als Mischung aus Raumfahrtattraktionen und zahlreichen Geschäften angekündigt. Aber man erfährt immerhin auch, dass es den Park noch gar nicht gibt, was nicht unwichtig ist für jene, die ihn auf dem Ex-AG-Weser-Gelände suchen sollten.

Überhaupt weiß dieser neue Stadtführerzwerg Dinge über Bremen, die noch kein anderer weiß. So endet ein Abriss der Stadtgeschichte mit dem mordsmäßig lustigen Hinweis, dass Bremen ab dem Jahr 2000 einen Boom erlebt. Der Kinokomplex Kristallpalast am Weserpark wird gepriesen, obwohl er noch gar nicht eröffnet ist. Und dass die VegesackerInnen im Havenhöövt Gelegenheit „zum Einkaufsbummel und Cafésieren“ haben werden, ist so sonnenklar, dass der Umstand, dass vor 2001 das Cafésieren dort allenfalls zwischen Betonmischern stattfinden kann, kaum noch ins Gewicht fällt.

Immerhin ist der Führer so aktuell, dass das neue Schaumagazin des Übersee-Museum ÜbermaxX ebenso verzeichnet ist wie der Bunker Valentin und dessen Bespielung durch das Bremer Theater. Dass die Hansestadt durch das „Jekyll & Hyde“-Musical zudem um ein „erotisch-dramatisch-mystisches“ Erlebnis reicher geworden ist, wird dem geneigten Leser ebenfalls nicht verschwiegen. Hingegen ist Willi Lemke noch als Werdermanager aufgeführt. Und über seinen Ex-Club heißt es lapidar: „Mit dem Weggang Otto Rehagels ging es sportlich bergab“.

So macht man sich hierzulande keine grünweißen Freunde. Auch die ehrliche Auskunft, dass die winzige Stadtmusikantenskulptur jede weitgereiste TouristIn deprimieren und niemand „Kohl und Pinkel“ essen wird, weil das Buch schonungslos darüber aufgeklärt, dass der Name dieser unter anderem aus Nierenfett und Hafergrütze bestehende Speise von dem Pinkeldarm des Rindes herrührt, in den sie einst abgefüllt wurde, behindern den unbeschwerten Lesegenuss. Andererseits: Für gerade mal fünf Mark bekommt man massenhaft touristInnentaugliche Adressen, Freizeittipps, Öffnungszeiten und Telefonnummern, die das Promenieren erleichtern, und zwei Stadtplänchen, die der groben Orientierung dienen. Kurzum: Ganz O.K., der Kleine. Franco Zotta

„Bremen Pass von a bis z“ (Format 7,5 x 10,5 cm) kostet 5 Mark und ist im Buchandel erhältlich.

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