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Polizei-Panne bei Findorffer Mordfall

■ Notruf falsch eingeschätzt / Beck's setzt hohe Belohnung aus

„Kein böser Wille“, sondern „menschliches Versagen“: So entschuldigte gestern die Bremer Polizei das verspätete Eintreffen am Tatort im Findorffer Mordfall. Erst 40 Minuten nach einem Notruf war am Mittwoch ein Einsatzwagen vor Ort erschienen und hatte die ermordete 27jährige Alexandra M. aufgefunden. Der Kollege im Lagezentrum hätte die „Dringlichkeit“ nicht richtig eingeschätzt, erklärte gestern Polizei-Sprecher Frank Kunze: „Das war eine Fehleinschätzung.“

Wie berichtet hatte ein Bewohner im Neubaugebiet Weidedamm III kurz vor 20.30 Uhr unter 110 die Polizei alarmiert – weil er Schreie hörte und beim Nachsehen in der Tiefgarage der Wohnanlage rote Flüssigkeit am Boden entdeckt hatte. Trotz dieser Hinweise ließ der Kollege vom Lagezentrum den daraufhin alarmierten Funkwagen erst eine Festnahme wegen eines Einbruchs zu Ende bearbeiten.

Die Folge: Erst nach einem zweiten Anruf aus Findorff kamen Beamte – satte 40 Minuten nach dem ersten Alarm. Der Anrufer hätte nur von „rotem Zeug berichtet, das aber auch Farbe sein könnte, weil in der Garage gestrichen wird“, versuchte Polizei-Sprecher Frank Kunze gestern das Verhalten zu entschuldigen. Gleichwohl „gibt es nichts zu beschönigen: Das war eine Fehleinschätzung“.

Der verantwortliche Beamte muss jetzt mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Ob Rüge oder gar Suspendierung würde gerade geprüft. „Die Tonbänder der Notruf-Gespräche werden abgehört.“ „Vorsätzlich“ gehandelt hätte der „erfahrene Kollege“ aber nicht, es kämen täglich Dutzende Anrufe herein: Da könne was schieflaufen, gerade wenn sich Routine einschleicht.

Von „unterlassener Hilfeleistung“ könne aber keine Rede sein: Die Frau war nach den 20 Stichverletzungen in Brust, Rücken und Hals laut Obduktionsbericht gleich nach der Tat tot. Einzig der Täter hätte womöglich einen Vorsprung erhalten – und von ihm fehlt weiter jede Spur. Ein von einem Bürger aufgefundenes Messer werde derzeit untersucht. Tatort-Durchsuchung und Vernehmung im Umfeld der Toten verliefen aber erfolglos: Der ehemalige Partner scheide aus, weil beide „im Guten auseinandergingen“. Die Firma „Beck & Co“ erhöhte unterdessen die staatsanwaltschaftlich ausgesetzte Belohnung (3.000 Mark) auf weitere 10.000 – aus Entsetzen über die „brutale Tat“ und um Bürger zu Hinweisen zu ermutigen. Die Tote war seit drei Jahren Mitarbeiterin des Unternehmens. kat

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