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Freier Kakao von unfreien Bauern

■ Elfenbeinküste liberalisiert Kakaohandel, um Ausgleichszahlungen zu sparen

Paris (taz) – Wer mit Kakao spekuliert, hat Anlass zum Jubel. Kakaopflanzer an der Elfenbeinküste hingegen müssen um ihr Überleben fürchten. Seit Donnerstag gehört die staatliche Kakaopreisgarantie in der Elfenbeinküste der Vergangenheit an. Der Ministerrat des westafrikanischen Landes, des größten Kakaoexporteurs der Welt, verfügte die Liberalisierung des Marktes. Sie trat noch am selben Tag in Kraft. Künftig werden damit die Kakaopflanzer noch etwas stärker von Marktentscheidungen abhängen, die unter anderem an der Börse von London fallen, wo gestern die Kakaoaktien bereits leicht stiegen.

Die Entscheidung kam überstürzt. Eigentlich war die Liberalisierung, auf die der Internationale Währungsfonds IWF seit langem drängte, erst zum 1. Oktober geplant. Doch die sinkenden Weltmarktpreise für Kakao und ein Untersuchungsbericht über die korrupten Machenschaften in der staatlichen Stabilisierungskasse Caistab, die bislang die Schwankungen am Weltkakaomarkt gegenüber den Pflanzern ausgeglichen hat, sorgten für Eile. Die Regierung rechtfertigte ihren vorgezogenen Schritt damit, dass nun mehr Zeit bliebe, um die im Oktober beginnende nächste Kakao-Kampagne unter den neuen Bedingungen vorzubereiten.

In den vergangenen Monaten hat sich die seit Jahren anhaltende Tendenz sinkender Kakaopreise beschleunigt. Die staatlichen Einnahmen der Elfenbeinküste waren 1998 wegen der Weltmarktentwicklung noch niedriger als erwartet. Zusätzlich sanken in diesem Jahr die Kakaoabsatzmöglichkeiten durch eine Entscheidung der Europäischen Union. In ihrer „Kakao-Richtlinie“ gestattet die EU die Beimischung von 5 Prozent Fremdfetten bei der Schokoladenproduktion.

In dieser Saison kamen auf die Stabilisierungskasse zusätzlich über ein Drittel Ausgleichszahlungen für die Kakaopflanzer zu. Das wollte die Caistab offenbar sparen. Zusätzlich hatte in der Kasse ein Untersuchungsbericht für Panik gesorgt, der Anfang des Jahres im Auftrag des IWF durchgeführt wurde. Demnach verschwanden 440 Millionen Mark, die die Caistab mit Kakao und Kaffee erwirtschaftet hatte, aus den Kassen der mit engen Vertrauten der Staatsspitze besetzten Institution.

Die Elfenbeinküste produzierte 1997 über 1 Million Tonnen Kakao, zumeist auf kleinen Familienplantagen. Schon in der Vergangenheit kam nur ein Teil des Weltmarktpreises bei den Kakaopflanzern an. So erhielten sie im Frühsommer dieses Jahres rund 60 Pfennig pro Kilo, als der Weltmarktpreis auf der doppelten Höhe lag. Mit dem Wegfall der staatlichen Erzeugerpreisgarantie werden ihre Einnahmen weiter sinken. Bereits jetzt droht den Kakaopflanzern die nächste Katastrophe. Im Jahr 2002 rechnen Experten mit der Ankunft eines Kakaopilzes, der bereits in Ghana angekommen ist.

In der Elfenbeinküste arbeiten über zwei Drittel der 15 Millionen Einwohner in der Landwirtschaft, die meisten im Anbau von Kakaobohnen sowie in Kaffeplantagen. Landwirtschaftliche Produkte stellen 66 Prozent der Exporteinnahmen des Landes dar.

Der IWF und die EU haben die Elfenbeinküste seit langem unter Druck gesetzt, ihren staatlichen Sektor abzustoßen. Die Regierung hatte sich schon vor der Kakao-Liberalisierung als gelehrige Schülerin gezeigt. Unter anderem hat sie ihre Wasser- und Stromversorgung sowie ihr Telefonnetz privatisiert. In beiden Fällen nutzten französische Konzerne die Gelegenheit. In das ivoirische Wasser- und Stromnetz stieg der Betonriese Buygues ein. In das Telefonnetz ein Konsortium, an dem unter anderem die France Télécom und ebenfalls Buygues beteiligt sind. Als nächstes wollen die Musterschüler in Westafrika die Börsen kopieren. Im Juni unterzeichneten die Regierungen der Elfenbeinküste und von Ghana ein Abkommen, um gemeinsam eine „Kakao-Börse“ einzurichten.

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