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Natur aus der Tube

Die Hersteller von Naturkosmetik verkaufen erfolgreich ihre Produkte. Doch allein sie entscheiden, wie viel Natur im Tiegel und in der Tube vorkommt  ■   Von Danièle Weber

Stuttgart (taz) – Wer will sie heutzutage nicht ausnutzen, die wertvolle Kraft der Natur? Ob auf dem Esstisch, im Medizinschrank oder im Kulturbeutel – Natur darf nicht fehlen, denn Natur tut gut. Vor allem, wenn es um Haut und Haare geht, sind zunehmend natürliche Kosmetika gefragt. Doch nicht überall, wo sie angepriesen wird, ist auch nur Natur drin. Und die Frage: „Was ist eigentlich Naturkosmetik?“ ist so leicht nicht zu beantworten.

Obwohl Produkte mit dieser Bezeichnung schon lange auf dem Markt sind, fehlt bislang eine allgemein gültige Definition. In Deutschland versucht seit über zwei Jahren eine Arbeitsgruppe des „Bundesverbands Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen“ (BDIH), zu definieren, was sich Naturkosmetik nennen darf und was nicht. „Wir schreiben Geschichte nach“, findet Reinhold Bunke vom BDIH, der an einem allgemein gültigen Label arbeitet.

Da immer mehr konventionelle Hersteller eine natürlich angehauchte Produktserie im Programm haben, ist die Abgrenzung der echten Naturkosmetik zu Imitaten notwendig geworden. Denn der Sprung auf die grüne Welle kam für viele Kosmetik-Unternehmen gerade recht: Es war eng geworden auf dem Kosmetikmarkt, der in den vergangenen Jahren stagnierte. Erstmals 1998 verzeichnete der Markt in Deutschland einen Zuwachs von 3,9 Prozent.

Als großer Gewinner tat sich vor allem die dekorative Kosmetik hervor, von der gegenüber 1997 über 15 Prozent mehr verkauft wurde. Es wird geschätzt, dass von den umgesetzten rund 17 Milliarden Mark etwa 300 Millionen Mark auf das Konto der echten Naturkosmetik, wie sie der BDIH definiert, gehen.

Marktführer ist seit Jahren die Firma Weleda in Schwäbisch Gmünd, die 1998 für rund 70 Millionen Mark Körperpflegeprodukte verkaufte. Darauf folgt das Unternehmen Wala aus Bad Boll, das im gleichen Jahr mit der Marke Dr. Hauschka etwa 20 Millionen Mark umgesetzt hat.

Zur Zeit, da keine Richtlinie die Kriterien für Naturkosmetik festlegt, regelt jeder Hersteller die Grenzfälle nach eigenem Wissen und Gewissen. Hundertprozentig natürlich produzieren nur wenige. Auch die, die sich strenge Kriterien auferlegt haben, greifen zuweilen auf Chemie zurück.

Zum Beispiel die Firma Logocos, die ebenfalls zu den wichtigsten Naturkosmetik-Herstellern in Deutschland gehört. Das Duschgel „Blue Wave“ der Serie „Santé“ enthält synthetischen Farb- und Duftstoff. „Wir wollten unbedingt die blaue Farbe“, sagt Heinz-Jürgen Weiland-Groterjahn von Logocos, „doch damit kann die Natur nicht dienen.“ Das Gel zurückziehen will Logocos nicht – immerhin ist Blue-Wave das derzeit meistverkaufte Produkt der ganzen Serie. „Wir arbeiten an Alternativen“, verspricht Weiland-Groterjahn.

Sehr kritisch ist die Kundschaft von Naturkosmetika laut Umfragen nicht. Die Motivation, sich eingehend mit der Liste der Inhaltstoffe zu befassen, ist in der Regel nicht sehr groß. Die Frauenzeitschrift Brigitte fand heraus, dass 50 Prozent aller Kundinnen solche Kosmetik bevorzugen, die „ohne chemische Zusatzstoffe auf natürlicher Basis“ hergestellt wurde. Dieser Kaufwunsch deckt sich jedoch längst nicht mit dem Umfang der tatsächlich verkauften Naturkosmetika, die in Deutschland insgesamt etwa 1,2 Prozent des gesamten Umsatzes bringen.

Denn viele Kundinnen kaufen konventionelle Ware in der festen Überzeugung, ein natürliches Produkt zu erwerben. Dass in Wirklichkeit grün angehauchte Unternehmen wie Yves Rocher, Biotherm oder Body Shop nicht Naturkosmetik herstellen, vermuten die wenigsten. Allerdings könnte dennoch wesentlich mehr echte Naturkosmetik als bisher verkauft werden.

Davon zumindest sind Marktbeobachter wie etwa Detlev Harting vom „Chestnutcom Institut für Marketing und Design“ in Hannover überzeugt. „Während in der Naturkosmetik-Szene endlose Definitionsdebatten geführt wurden, hat die konventionelle Branche den Markt erobert“, beschreibt er die aktuelle Lage.

Ein Defizit der Branche liegt in der Art und Weise, wie für die Produkte geworben wird, meint seine Kollegin Jeanine Tovar. „Eine erfolgreiche Werbung muss die Sprache sprechen, die Verbraucher kennen“, lautet ihre These. „Aus der Nische heraus kann man sie nicht umerziehen.“ Ihr Tip an die Naturkosmetik-Hersteller ist: Durch gemeinsames Auftreten die Vorzüge der wirklich natürlichen Produkte herausheben. Dabei könnte das Label helfen, das es bis zum Jahr 2000 in Deutschland geben soll und über das auch die Verbraucherschützer in der EU-Verwaltung diskutieren.

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