: „Berliner sollten sich vor Ignatz Bubis verneigen“
■ Kaum Andrang beim Kondolenzbuch für den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden
Im Foyer des Jüdischen Gemeindehauses in der Fasanenstraße ist es ruhig. An dem kleinen Tisch mit der schwarzen Decke und dem Foto darauf sitzt ein alter Mann. Gedankenvoll blickt er das Foto an, schreibt einige Worte in das Kondolenzbuch. Dann steht er langsam auf und streicht, wie zum Abschied, mit den Fingern über das Foto von Ignatz Bubis, dem am Freitag verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Es ist zum Heulen“, sagt er etwas später und schluckt, „einen solchen Menschen zu verlieren, einen Kämpfer für Gerechtigkeit.“
Estrongo Nachama, der Oberkantor der jüdischen Gemeinde und Vater ihres Vorsitzenden, ist nicht der einzige, der sich in das Kondolenzbuch für Bubis einträgt. Der Verstorbene wird dort als „großer Liberaler“, „herausragende Persönlichkeit“, „Mahner und Brückenbauer“ geehrt. Anstehen aber musste man für einen Eintrag nicht. Nur tropfenweise kommen die BerlinerInnen in die Fasanenstraße in Charlottenburg und das Leo-Baeck-Haus in der Tucholskystraße in Mitte, wo der Zentralrat der Juden seit April residiert.
„Für uns war es klar, dass wir hierher kommen“, sagt Angelika Stanke-Peatman, die mit ihrem Mann ins Gemeindehaus kam. Beide sind nicht jüdischen Glaubens, sich aber sicher: „Bubis wird hier sehr fehlen, weil er Leute zusammenbringen kann.“ Für Helga Fechner ist Bubis ein „großer Deutscher wie Brandt“, in dessen Kondolenzbuch sie sich ebenfalls eingetragen hat. „Nach den fürchterlichen Zeiten sollten sich möglichst viele Berliner vor Menschen wie Bubis verneigen“, sagt die 65-Jährige. Das tun meist Menschen über 40, Jüngere sind rar im Jüdischen Gemeindehaus.
Draußen am Gedenkstein mit den Namen der Konzentrationslager liegen Blumen. Einige BerlinerInnen haben sich bereits am Samstag zum Gemeindehaus und der Synagoge in der Oranienburger Straße aufgemacht, doch dort standen sie vor verschlossenen Türen. Am Sabbat sind die jüdischen Einrichtungen geschlossen. In der Synagoge in Charlottenburg gedachten Gläubige des Verstorbenen. Sabine am Orde
Die Kondolenzbücher für Bubis liegen noch bis Freitag aus.
Tagesthema Seite 3
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