: Kein Kick vom Bund für Berlin
■ Die hiesige Wirtschaft profitiert kaum vom Umzug der Bundesregierung an die Spree, weil die für Investitionen zuständigen Beschaffungsämter am Rhein geblieben sind
Man hätte sich das so schön vorstellen können: Da kommt die Bundesregierung mit Sack und Pack nach Berlin und kauft hier so richtig ein. In der ersten Woche vielleicht nur Büromaterial und was sonst zur Grundausstattung gehört. Aber irgendwann auch mehr. Etwa komplette Gebäudeausstattungen oder Dienstleistungen wie Druck und Repro. All das, so die ursprüngliche Hoffnung, sollte der kriselnden Berliner Wirtschaft endlich den erhofften Kick geben.
Inzwischen ist man vorsichtiger geworden. „Bringt der Hauptstadt-Umzug Impulse für die Berliner und ostdeutsche Wirtschaft?“, fragte die Unternehmensberatung Wegweiser GmbH gestern auf einer Pressekonferenz mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Klaus von Dohnanyi, dem Beauftragten der Treuhandnachfolgerin BvS. Die Antwort der versammelten Prominenz: Hoffentlich. Dazu müssten aber Bund wie auch Unternehmen noch eine Menge tun.
Die Schwierigkeiten, so Diepgen, fingen schon damit an, dass die meisten Beschaffungsstellen des Bundes in Bonn verblieben sind. Während den Beamten also auf der einen Seite die direkten Kontakte zu den Berliner Unternehmen fehlten, „hängen sie in Bonn in ihren alten Beziehungsgeflechten fest“. Sozialforscher Werner Sörgel pflichtete ihm bei: „Beschaffer haben die Mentalität von Sachbearbeitern. Sie haben am liebsten Bequemlichkeit, Stressvermeidung und die Sicherheit, dass die Arbeiten fehlerfrei erledigt werden.“ In diesem konservativen Klima habe es jeder neue Bewerber schwer – besonders wenn er aus Ostdeutschland komme, wozu er auch Berlin zähle. „So ein öffentlicher Auftraggeber will gepflegt werden“, sagte Sögel. „Der braucht Ansprache und Verbindlichkeit wie jeder industrielle Kunde.“ Ostdeutsche Firmeninhaber seien dazu jedoch oft nicht in der Lage. „Sie melden sich nicht zurück, machen Fehler oder bieten zu billig an und können das dann nicht einhalten.“
Das wollte Dohnanyi so nicht stehen lassen. „Ostdeutsche Unternehmen haben kein Problem mit der Qualität“, sagte er. „Sie haben eines mit den Märkten.“ Deswegen müsse auch das Amt des Vergabebeauftragten Ost, das seit dem Regierungswechsel vakant ist, „schnellstmöglich kompetent“ besetzt werden. Parallel dazu sollen Hemmschwellen abgebaut werden: Im November sollen dafür die Bonner Einkäufer auf einer von der Wegweiser GmbH unddem Deutschen Industrie- und Handelstag gemeinsam veranstalteten Beschaffungskonferenz mit den Ost-Unternehmern zusammentreffen. Beate Willms
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen