piwik no script img

■ III. WahlTonlos im Öfenasyl

Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen mitten in der Nacht? Zum Beispiel:

„Service: Wohnen“, Di., 1.55 Uhr, HR

Wozu Kraftwerke? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose. Und nicht nur der Strom, sondern auch die Saugkraft zur milbenarmen Teppichreinigung. Für 2.500 Mark Materialkosten plus 30 Arbeitsstunden kann sich der Eigenheimbesitzer jetzt eine „Hausstaubsauger-Anlage“ einbauen. Mit „zentraler Saugeinheit im Keller“. Die ist leise und praktisch, denn „Frau Grabowski muss jetzt nicht mehr die schwere Saugeinheit tragen“. Bewegtbild: Frau Grabowski kommt mit dem langen Schlauch tatsächlich in alle Ecken!

Solche Tipps fürs häusliche Hessen moderiert Thomas Schäfer in „Service: Wohnen“, dem Magazin für konsumbewusste Heimwerker. Und weil viel immer viel hilft, gleich zweimal: erst um 19 Uhr und dann nochmal mitten in der Nacht. In Kurzbeiträgen erfahren wir „Erhellendes zum Thema Lichtgestaltung“, werfen mit einer Innenarchitektin ergonomisch-psychologische Blicke in deutsche Kinderzimmer: „Die Farben im Kinderzimmer sollten nicht grau und kalt, sondern sonnig und warm sein“, erklärt eine Off-Sprecherin, die mit derselben Tonlosigkeit vor brandgefährlichen PVC-Fußbodenbelägen warnt. Ums Feuer geht es auch beim Ausflug ins vorderpfälzische Burweiler, ins „Asyl“ für Öfen. Brennendes aus „300 Jahren Ofengeschichte“ wärmt den nächtlichen Zuschauer von innen.

Und erst zu vorgerückter Stunde kann der schlaflose Zuschauer, befreit von Tageslärm und -hektik, den wahren Wert dieser „Hobbythek für Quereinsteiger“ begreifen – und erkennen, dass sein privater Wohnbereich diesseits der Mattscheibe im Vergleich zu den vorgeführten Modellhaushalten einer maroden Rumpelkammer gleicht. Wer daraufhin entsetzt die sofortige Verschönerung der eigenen vier Wände beschließt, bekommt bei „Renovieren mit Willi“ auch noch tröstliche Tips zum Fliesenlegen mit auf den Weg: „Wichtig ist ein gerader Untergrund.“

Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen