Das Portrait: Unvergessen scharf-pikant
■ Die Erfinderin der Currywurst ist tot
Die Berliner Mauer wird schon lange vergessen sein, da wird die hungrige Menschheit immer noch des 4. September 1949 gedenken: An diesem Tag langweilte sich Herta Heuwer, die Besitzerin einer Imbissbude in Berlin, weil keine Kunden kamen.
Herta Heuwer, die Erfinderin der Currywurst Foto: Hartmann/Ullstein
Sie rührte Gewürze mit Tomatenmark zusammen und gab diese frisch erfundene „Chillup-Sauce“ über in Stücke geschnittene Dampfwurst. Die Currywurst war geboren! Stolz warb dann Heuwer mit den Schildern „Eine von uns erdachte Berliner Spezialität“ und „1. Curry Wurst Braterei der Welt“. Weil die Erfinderin fand, dass es „zu viele Nachahmer“ gab, liess sie sich ihre Soße 1958 beim Patentamt in München als Warenzeichen schützen.
Zwar weiß jedes Lexikon, dass Curry aus einer indischen Gewürzmischung, das heißt aus Kurkuma, Kardamon, Paprika, Koriander, Ingwer, Kümmel, Muskatblüten, Nelken, Pfeffer und Zimt besteht – die genaue Zusammensetzung der Original-Currysoße wird trotzdem für immer unbekannt bleiben. Herta Heuwer hat das Rezept nie verraten und nimmt das Geheimnis mit ins Grab: Am 3. Juli ist sie im Alter von 86 Jahren gestorben; nach Angaben ihrer Angehörigen wird sie heute in Berlin beigesetzt.
Für ihren Nachruhm wird gesorgt: Die Bürgermeisterin von Berlin-Charlottenburg will auf der nächsten Bezirksversammlung vorschlagen, eine Gedenktafel an der Stelle anzubringen, wo Herta Heuwer einmal sättigend wirkte, bis sie am 30. Juni 1979 in den Ruhestand ging: an der Kantstraße Ecke Kaiser-Friedrich-Straße. Olaf und Brigitte Böhme planen, in der Wohnung ihrer Tante Heuwer ein Currywurst-Archiv einzurichten. Dafür suchen die beiden noch Material.
Allerdings sprechen nicht alle Berichte von Zeitzeugen für das Primat der Berliner Wurst. Uwe Timm zum Beispiel, der Autor des Buches „Die Entdeckung der Currywurst“, ist sich sicher, als Kind bereits 1947 in Hamburg Currywurst gegessen zu haben: „Sie gehört wohl zu den zahlreichen Doppelerfindungen. Nach dem Krieg waren die Würste so labbrig – da lag es nahe, sie mit einer intensiven Soße aufzupeppen.“ Die Berliner Zeitung ist trotzdem sicher: Gegen Herta Heuwers Kreation „werden alle anderen Würste dieser Welt immer nur ein Abklatsch bleiben“.
Martin Ebner
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