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Grüne drohen Stromkonzernen mit Zwang

■ Verordnung über Stromdurchleitung soll kommen, wenn Industrie sich nicht schnell und fair einigt, SPD-Minister kritisiert. Hohes Einsparpotential auch für private Haushalte

Berlin (AFP/AP) – Die Bündnisgrünen haben die Energiekonzerne vor wettbewerbsverzerrenden Manövern bei der Liberalisierung des deutschen Strommarktes gewarnt. Sollte die für September geplante Verbändevereinbarung zwischen industriellen Stromverbrauchern und Stromerzeugern keinen fairen Zugang zu den Netzen der bisherigen Monopolisten garantieren, wollten die Grünen diesen auf dem Verordnungswege durchsetzen. Das kündigte die energiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Michaele Hustedt, am Donnerstag in Berlin an.

Die Grünen hätten sich bereits mit Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) darauf verständigt, eine Bundesverordnung zu erlassen, sollte die geplante Verbändevereinbarung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen, sagte Hustedt.

Die Verbändevereinbarung soll das bisherige Tarifwirrwarr beim Herzstück des Wettbewerbs – der Durchleitung von Fremdstrom – beseitigen. Neue Anbieter auf dem Markt werfen den etablierten Netzinhabern vor, überhöhte Durchleitungsgebühren zu verlangen, um günstige Angebote an die Endkunden abzublocken.

SPD-Umweltminister Wolfgang Jüttner aus Niedersachsen warf der rot-grünen Bundesregierung bei der gesetzlichen Regelung des Netzzugangs hingegen Zögerlichkeit vor. „Wir brauchen dringend eine klare Regelung“, sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (Donnerstagsausgabe). Anbieter umweltfreundlicher Energie gerieten zunehmend ins Abseits. Jüttner verwies darauf, dass Deutschland weltweit das einzige Land ohne regulierten Netzbetrieb sei.

Die Wirtschaftsmagazin Capital verwies unterdessen auf das hohe Einsparpotenzial durch den neuen Wettbewerb auf dem Privatkundenmarkt. Privathaushalte könnten insgesamt derzeit theoretisch rund sieben Milliarden Mark pro Jahr einsparen, berichtete das Magazin unter Berufung auf einen Strompreisvergleich in 84 großen Städten. Demnach beträgt die Preisdifferenz zwischen der teuersten und billigsten Stadt im Moment 40 Prozent. In Jena etwa müsse ein Haushalt mit einem Verbrauch von 4.000 Kilowattstunden pro Jahr 1.328 Mark bezahlen. In Essen, der Stadt mit dem günstigsten Stromanbieter der Untersuchung, liege der Betrag dagegen bei 955 Mark.

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