piwik no script img

Urlaubssouvenirs: Verbotene Liebe

Tausende Touristen kehren zurzeit an den Flughäfen Bremen und Hamburg aus ihrem Urlaub zurück. Der Zoll wacht streng über Artenschutz  ■ Von Hubert Bätz und Kirstin Karotki

Freitag, 11.15 Uhr, Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel: Ankunft des Fluges BN 969 aus Punta Cana, Dominikanische Republik, am Terminal 1. Gelangweilt beobachtet Zöllner Mike Körner (Name geändert) an der Gepäckausgabe die Passagiere. Ein urlaubsgebräuntes Paar, Mitte vierzig, weckt seine Aufmerksamkeit. Recht zögerlich pflücken die beiden ihren großen Hartschalenkoffer und die rote Tasche vom Band. Als sie sich der Menschentraube in Richtung Ausgang anschließen wollen, werden sie von Körner gestoppt: „Bitte folgen Sie mir.“

In einem kleinen fensterlosen Raum müssen sie Koffer und Tasche öffnen. Zwischen Schmutzwäsche und Kosmetika kommen zwei Stücke zum Vorschein, die den Zöllner interessieren. Eine Lederhandtasche mit auffälligem Schuppenmuster und ein länglicher Kakteenast, der beim leichtesten Schütteln wie prasselnder Regen klingt. Bei der Handtasche prüft der Zöllner mit den Fingerspitzen kurz den Verlauf der schuppenartigen Struktur, dann konsultiert er sein Bestimmungsbuch. Das Schlangenleder erweist sich als Haut der seltenen Felsenpython. Was dann kommt, ist für Körner Routine: Personalienfeststellung und Beschlagnahme der Handtasche.

Genauso laufen die Kontrollen auch am Bremer Flughafen ab. Die Beamten finden im Gepäck der Bremer Fluggäste Sandalen aus Krokodilleder, Taschen aus Felsenpython, aus Elfenbein geschnitzte Figuren. „Wir sind bei den Kontrollen auf das Gespür der Beamten angewiesen und auf einen guten Riecher“, sagt Jürgen Wacker, Vorsteher des Zollamtes am Flughafen Bremen. Denn meistens haben die Zollbeamten keinen Hinweis auf Schmuggler und können nur in Stichproben kontrollieren.

Der in letzter Zeit größte Fall des Bremer Flughafen-Zolls war ein Reisender, der in seinen beiden Koffern über 500 bewurzelte Kakteen nach Bremen schmuggeln wollte. Er hatte sie in Mexico ausgegraben und die Koffer, statt mit seiner Kleidung, mit den geschützten Pflanzen gefüllt.

Felsenpython oder Baumsteigerfrosch, Fechterschnecke oder Molukken-Kakadu haben eines gemeinsam – sie gehören zu den Tieren, die der deutsche Zoll schützt. Die Ein- und Ausfuhr von Fellen, Leder, Häuten oder Elfenbein zu kontrollieren ist ebenso seine Aufgabe wie die Suche nach Drogen oder unverzollten Waren. Für den Artenschutz aktiv ist die Zollbehörde, seit die Bundesrepublik Deutschland am 20. Juni 1976 das „Washingtoner Artenschutzabkommen“ unterzeichnete.

Mit ihrem Beitritt verpflichten sich die Staaten, den Handel mit rund 8.000 Tierarten, die in ihrem Bestand gefährdet sind, zu überwachen. Und etwa 40.000 Pflanzenarten zu schützen. Wird dagegen verstoßen, folgen Strafverfahren und Bußgeld. „Bei Kleinschmuggel, also bei Zollabgaben bis zu 250 Mark, wird die Summe als Bußgeld einfach verdoppelt“, erklärt Wacker. Wer mehr im Gepäck hat, muss mit Strafverfahren rechnen.

Das Bußgeld wird erlassen, wenn die Sünder nachweisen können, in völliger Unkenntnis gehandelt zu haben. „So oder so ähnlich verlaufen fast immer diese Sicherstellungen“, bestätigt Jürgen Schulz, Leiter der Abfertigungsstelle Reiseverkehr am Hamburger Flughafen. „Zwischen zweihundert und dreihundert solcher Aufgriffe“ habe man in den vergangenen zwei Jahren vorgenommen. „Tendenz steigend“, sagt Schulz.

Dem Artenschutzabkommen sind bis heute mehr als 130 Staaten beigetreten. Ursprünglich war die Vereinbarung besonders gegen den organisierten Großhandel zum Beispiel mit Elfenbein oder exotischen Lederwaren gerichtet, der fast zur Ausrottung einzelner Tierarten beigetragen hat. Inzwischen geraten zunehmend Touristen ins Visir zöllnerischen Interesses. Für den Erfolg des Abkommens, meint Schulz, sei es wichtig, „möglichst wenig Ausnahmen zuzulassen, auch wenn Touristen dadurch schon einmal in die Mühlen der Bürokratie“ geraten könnten.

„Was die Tiere betrifft, wo liegt da der Unterschied, ob ein Händler das hier einführt oder an Touristen im Land verhökert“, sagt Schulz. „Das Tier muss so oder so für Haut oder Fell, Horn und was es da sonst noch gibt, das Leben lassen.“

Schwierig sei es, so Jürgen Schulz, manchmal „bei den typischen Strandsammlern“, die zum Beispiel in der Dominikanischen Republik die glänzenden Gehäuse der Fechterschnecke aus Unkenntnis mitnähmen. Auch wenn diese dort häufig vorkommt, wird das Schneckenhaus beschlagnahmt, denn auch hier könne der Zoll keine Ausnahme machen. Die geschützte Riesenschnecke sei für die Karibik wichtig, denn „sie frisst Seesterne. Und die wiederum können Korallenbänke zerstören.“ Michael Kramer, Pressesprecher bei der Oberfinanzdirektion Hamburg, Abteilung Zoll, hat für alle Touristen eine einfache Lösung parat, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen: „Nichts mitnehmen, in der Natur sind die meisten Dinge sowieso dort am schönsten, wo sie hingehören. Und außerdem: Ein Foto tut's manchmal auch.“

Wer's dennoch nicht lassen kann, muss nicht nur eine Einfuhrbescheinigung nach Deutschland, sondern auch eine Ausfuhrbescheinigung des Herkunftslands besitzen. Besonders wichtig, warnt Schulz, sei aber die Einfuhrgenehmigung, „denn die ärmeren Länder lassen aus Devisengründen mal was eigentlich nach dem Artenschutzabkommen Verbotenes ausführen. Was aber nicht heißt, dass wir die Einfuhr gestatten müssen.“

Wie viele Reisende sich diesem Formularzwang verweigern, zeigen die im Hamburger Zollmuseum (Freihafen, Alter Wandrahm 15a-16) ausgestellten beschlagnahmten Objekte. Ausgestopfte Mäusebussarde und Falken tummeln sich neben verschrumpelten Eidechsen und handgroßen präparierten Krokodilen; komplette Sammlungen tropischer Schmetterlinge finden sich hier, Schnitzereien aus Elefantenstoßzähnen oder Nashorn, Tigerfelle, Schlangenledergürtel, Korallen oder Papageienfedern. Sogar ein Tisch aus vier Elefantenfüßen und einer Teakholzplatte ist zu bestaunen.

Hartgesottene, die selbst das nicht schreckt, lassen sich vielleicht durch Michel Kramers Bericht von den selteneren Beschlagnahmungen lebendiger Tiere durch den Zoll beeindrucken. Diese kommen jedoch in Hamburg nicht häufig vor, und die Bremer Zollbeamten fanden noch nie ein lebendes Tier. Hamburg und Bremen haben im Gegensatz zu Frankfurt wenig Direktflüge und die „Importeure“ bevorzugten Frankfurt, „weil sie nur verdienen, wenn ihre Tiere überleben“, so Kramers. Unter welchen Qualen, das scheint ihnen „beinahe egal zu sein“. Es kommt vor, dass die Zöllner „dann Vogelspinnen, zusammengepfercht im Joghurtbecher, Schildkröten aus Tunesien, in Pappkartons, oder Papageien mit um die Schnäbel gewickelten Klebestreifen finden“.

Für diese mehr oder weniger lebendige Ware müssen die Hamburger dann eine Bleibe suchen. Meist helfen hier Zoologische Gärten; manchmal sind es auch „zuverlässige Privatpersonen, die auf Exoten wie die genannten Vogelspinnen spezialisiert sind“, die sich um die geschundenen Kreaturen kümmern. In Bremen werden die geschützten Pflanzen oder die Erzeugnisse von Tieren, die unter das Artenschutzabkommen fallen, an das Bundesamt für Naturschutz übergeben. Die „schönen Stücke“ der beschlagnahmten Ware gehen an Museen und Schulen, der Rest wird vernichtet. „Auf keinen Fall gerät irgendetwas davon wieder in den Handel“, sagt Wacker.

In den Häfen der beiden Hansestädte übrigens, für die der Zoll ebenfalls zuständig ist, gebe es im Bereich Lebendware kaum Verstöße: „Der Matrose, der einen Affen einführt, kommt eigentlich nicht mehr vor“, sagt Wacker. „Internationale Crew und die Information der Mannschaften durch die Reedereien verhindern weitgehend, dass der Zoll hier beim Artenschutz tätig werden muss“, stellt Kramers zufrieden fest. Auch mit dem Gewerbe, etwa Pelzhändler, habe der Zoll kaum Schwierigkeiten – die hielten sich überwiegend an die Ein- und Ausfuhrbestimmungen.

„Unsere Probleme verstecken sich im Gepäck der Touristen“, sagt Zollfahnder und Artenschützer Jürgen Schulz. Gleich könnte es am Flughafen wieder Arbeit geben, denn nun steht Bangkok auf der Ankunftstafel. Und dann finden sich des öfteren Figuren wie Elefanten und kleine Buddhas aus Elfenbein als unerlaubte Reisemitbringsel im Gepäck.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen