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Nur Familie und Freunde retten Leben

■ Bundesverfassungsgericht: Nierenspende an Unbekannte bleibt verboten. Kein Verfahren kann Handel definitiv ausschließen

Freiburg (taz) – Die Nierenspende unter Lebenden ist auch weiterhin nur zwischen Personen, die sich nahe stehen, erlaubt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer gestern bekannt gemachten Entscheidung drei Verfassungsbeschwerden abgelehnt, die eine völlige Öffnung des Spenderkreises erreichen wollten. Nach dem Willen der Beschwerdeführer sollte jede Weitergabe von Organen, die aus altruistischen Motiven erfolgt, zugelassen werden.

Einer der Kläger ist der Münsteraner Transplantationschirurg Jochem Hoyer. Er hat 1996, kurz vor Inkrafttreten des neuen Transplantationsgesetzes, selbst eine Niere an einen Unbekannten gespendet. Auf Grund der damaligen Medienberichte hatte sich ein 61-jähriger Mann „aus moralischen Gründen“ an den Mediziner gewandt, um ebenfalls ein Organ abzugeben. Nach medizinischen Kriterien wählte Hoyer daraufhin einen 46-jährigen Nierenkranken aus, der auf Grund seiner Blutgruppe nur geringe Chancen hat, ein Organ von einem Toten zu erhalten. Gemeinsam klagten sie dann gegen das 1997 beschlossene Transplantationsgesetz, das die Organspende unter Lebenden nur bei Verwandten ersten und zweiten Grades sowie bei „besonderer persönlicher Verbundenheit“ zulässt.

Das Gericht hielt die Ziele des Transplantationsgesetzes für „gerechtfertigt“. Mit der restriktiven Regelung soll ein kommerzieller Organhandel verhindert und die Gesundheit der SpenderInnen geschützt werden. Kein organisatorisches Verfahren könne sicherstellen, dass die Spende unter Fremden tatsächlich nur aus altruistischen Motiven erfolge. Die Kläger hatten argumentiert, dass die Einschaltung der im holländischen Leiden sitzenden Stiftung Eurotransplant diese Gewähr bieten könnte. Eurotransplant vermittelt in den Niederlanden, Deutschland, Belgien, Luxemburg und Österreich die Organe von Toten nach medizinischen Kriterien. Transplantationsmediziner Hoyer hatte sich außerdem auf seine Gewissensfreiheit berufen. Dieser Klagegrund hatte jedoch ebenso wenig Erfolg wie die Berufung des Nierenkranken auf sein Recht auf körperliche Unversehrtheit.

In Deutschland leben etwa 40.000 Nierenpatienten, von denen 11.000 auf der Warteliste für eine Nierentransplantation stehen. Im vergangenen Jahr wurden in der Bundesrepublik allerdings nur 2.340 Nieren transplantiert, die Patienten mussten im Schnitt etwa vier Jahre auf eine Transplantation warten.

Die Nierenspende unter Lebenden galt früher als riskant, weil größere Abstoßungsprobleme vermutet wurden. Dies ist inzwischen durch Langzeitstudien widerlegt. Auch das gesundheitliche Risiko der SpenderInnen wird nur noch gering eingeschätzt. Die Zahl der Lebendspenden ist deshalb in den letzten Jahren von 1 bis 2 Prozent auf rund 12 Prozent bundesweit angestiegen.

Die jetzt in Karlsruhe entschiedene Konstellation hätte allerdings wohl auch in Zukunft keine Rolle gespielt. „Wir bekommen nur sehr selten altruistische Anfragen von potenziellen Lebendspendern“, sagt der Freiburger Transplantationsexperte Martin Blümke, „meist wollen die Leute, die einem Fremden ein Organ spenden wollen, Geld dafür haben“.

Christian Rath

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