: Sprayer auf Film: Fall für Datenschutz
Hochbahn überwacht Züge per Kamera. Aufnahmen an Polizei übergeben ■ Von Heike Dierbach
Die Jugendlichen in den Kapuzenpullis, die jetzt rechts im Blickfeld der Kamera erscheinen, sind keine Anfänger: Nur acht Minuten brauchen sie, um die rechte Außenwand des U-Bahn-Waggons inklusive der Fenster zusprühen. Pech für die Sprayer: Die Szene ist nicht gestellt, sondern dokumentiert die erste „Beute“ der Videoüberwachung, die die Hamburger Hochbahn AG HHA seit Ende Mai in zwei U-Bahn Waggons und zwei Bussen testet. Gestern stellte die HHA die Anlage vor. Die Aufnahmen vom 11. August dienen bereits als Hauptbeweismaterial im Verfahren gegen die beiden Jugendlichen – die HHA allerdings hat sich mit der Weitergabe an die Polizei allerdings eventuell schon in der Testphase in die datenschutzrechtlichen Nesseln gesetzt.
Zu erkennen sind die Kameras kaum. Aber die beiden schwarzen Halbkugeln von der Größe eines halben Tennisballes an der Decke erfassen in Fernsehqualität mit zwei Bildern pro Sekunde jeden, der einsteigt, Zeitung liest oder in der Nase bohrt. Übertragen werden die Bilder nicht – nur aufgezeichnet, damit sie bei Bedarf verwendet werden können. Alle 24 Betriebsstunden – also etwa alle vier, fünf Tage – überspielt sich das Band selbst. „Die Überwachung dient nicht nur der Ergreifung von Tätern“, erklärt HHA-Vorstandsmitglied Ulrich Sieg. „Sie soll auch die Hemmschwelle von Sprayern und Randalierern erhöhen und das subjektive Sicherheitsempfinden der Fahrgäste steigern“, bemerkt Sieg noch.
Die werden durch einen Aufkleber mit einem Kamerasymbol an den Türen des Waggons auf die Überwachung hingewiesen. Rund 80 Prozent hätten die Überwachung bei einer Befragung befürwortet, erklärt Sieg. Hamburg und Berlin sind die ersten deutschen Städte, die das testen. Rund 13 Millionen Mark würde es kosten, alle 800 U-Bahn-Waggons und 600 Busse mit Kameras auszurüsten. Für die Graffiti-Entfernung gibt die HHA jährlich acht Millionen aus.
„Das Projekt wurde mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmt“, betont Sieg. Der bestand unter anderem auf den Info-Aufklebern. Datenschutz-Referentin Martina Peter betont allerdings: „Bisher haben wir das OK nur für eine Testphase gegeben“. Sollte die Überwachung flächendeckend ausgeweitet werden, müsse man unter anderem prüfen, wie zu werten ist, dass die Fahrgäste dann keine Wahl mehr haben, ob sie überwacht werden wollen oder nicht.
„Überrascht“ zeigte sich Peter über die Nachricht, dass die HHA den „Zufallstreffer“ der Testphase bereits an die Sonderkommission Graffiti der Polizei übergeben hat: In einem Vermerk, der der HHA Ende März diesen Jahres zuging, wurde festgelegt, dass „die im Testversuch gewonnenen Daten ausschließlich HHA-intern zur Erkenntnisgewinnung über technische Zwecke genutzt werden sollen.“ Eine Weitergabe an die Polizei sei zwar nicht grundsätzlich verboten, da die HHA ein begründetes Interesse habe, so Peter. Dies müsse aber vor Erhebung der Bilder genau rechtlich geregelt werden: „Die Weitergabe der Aufnahmen in der Testphase ist mit uns nicht abgesprochen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen