: Regierung wettet – und verliert
135.000 Schüler erreichen in sieben Monaten, was die Regierung für sieben Jahre geplant hat: Ein Minus beim Kohlendioxid-Ausstoß um zehn Prozent ■ Von Constanze Oehlrich
Berlin (taz) – Die erste Wette, die die Bundesregierung jemals einging, hat sie prompt verloren. Und zwar gegen die Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund-Jugend). Das gab gestern der Schiedsrichter Andreas Troge, Chef des Umweltbundesamtes, bekannt. „Wetten, dass wir das Klimaschutzziel der Bundesregierung in sieben Monaten anstatt in sieben Jahren erreichen?“, lautete die Wette. Im November 1998 hatte die Jugendorganisation bei der grünen Staatssekretärin im Umweltministerium, Gila Altmann, angefragt. Die schlug ein: „Top!“ – obwohl sie gar nicht so genau wusste, worauf sie sich da einließ. „Die Annahme der Wette war eine meiner ersten Amtshandlungen“, erinnerte sich die Politikerin.
Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, den deutschen Kohlendioxid-Ausstoß bis 2005 um zehn Prozent zu verringern. 135.000 Schüler in 192 Schulen waren überzeugt, dass sie es viel schneller schaffen. Von November 1998 bis Mai 1999 schraubten sie Energiesparlampen ein, drehten Heizungen herunter, senkten den Wasserverbrauch und die Müllproduktion. Jedes gesparte Gramm Kohlendioxid wurde gezählt.
Hilfreich waren dabei die Berechnungen des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen in Berlin. „Wer in der Pause das Licht ausknipst, spart 25 Kilogramm Kohlendioxid pro Klassenraum. Wer Umweltpapier statt weißem Papier verwendet, spart 3,1 Kilogramm Kohlendioxid pro Blatt. Wer die Pausenlimo aus Flaschen statt aus Aludosen trinkt, spart 1,6 Kilogramm Kohlendioxid pro Liter“, hatten die Umweltschützer den Schülern erklärt und damit die Wette möglich gemacht.
Als Schiedsrichter fungierte Andreas Troge, der Präsident des Umweltbundesamtes. Vom Ergebnis der Wette zeigte er sich „schlichtweg beeindruckt“. Das Umweltbundesamt hat die Ergebnisse der Schulen überprüft und dabei festgestellt, dass die BUND-Jugend ihr Ziel bei weitem erreicht hat. „Insgesamt haben die Schüler fast 13 Millionen Kilogramm Kohlendioxid eingespart“, gab Troge gestern bekannt. Von Kondolenz wollte die Verliererin deshalb nichts wissen. „Ich bin diese Wette in der Hoffnung eingegangen, sie zu verlieren“, kommentierte Altmann das Ergebnis.
Für die BUND-Jugend ist der Erfolg der Wette ein deutliches Zeichen, dass mit mehr Einsatz auch mehr Klimaschutz möglich ist. „Die Ökosteuer wurde von der Umweltbewegung nicht erfunden, um die Autofahrer zu ärgern, sie ist vielmehr eines der besten Mittel, um Anreize zum Energiesparen zu schaffen“, sagte Michael Schäfer, Bundesjugendsprecher und Mitinitiator der Wette. Deshalb fordere die BUND-Jugend eine kontinuierliche und spürbare Erhöhung der Ökosteuern.
Das Bundespresseamt leerte sich, die Jugendlichen blieben allein zurück. Ein Sektkorken knallte. „Wir haben gewonnen! Jetzt wird gefeiert!“, rief Thomas Bettinger übermütig. Jetzt und natürlich auch am 17. September, wenn die Bundesregierung in Bonn das Fest ausrichtet, das sie den Jugendlichen für den Fall versprochen hat, dass sie die Wette verliert.
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