: Radikal für rot-grüne Schulreform
■ Leistungstests in den Grundschulen, Abitur nach zwölf Jahren - in Berlin wollen SPD und Grüne gemeinsam Bildungspolitik machen / „Schulen müssen öffentlich Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen“
Alle Berliner Grundschulen sollen nach dem Willen der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus einem Leistungstest unterzogen werden. Die Schulen müssten künftig stärker öffentlich Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen, erklärte SPD-Fraktionschef Klaus Böger, und der Unterricht müsse besser werden. SPD-Spitzenkandidat Walter Momper will in Berlin zudem das Abitur nach zwölf Schuljahren als Regelfall durchsetzen. „Ich bin ein Überzeugungstäter für kürzere Schulzeiten“, sagte Momper .
Damit folgten die beiden SPD-Politiker wesentlichen Forderungen einer Bildungskommission unter dem Vorsitz des früheren sächsischen Bildungs-Staatssekretärs Wolfgang Nowak. Die Berliner Grünen-Politikerin Sybille Volkholz, die auch bei den Bremer Grünen einmal als Bildungssenatorin für eine rot-grüne Koalition im Gespräch war, hat das Bildungs-Gutachten mit den Worten begrüßt, es biete eine „gute Grundlage“ für eine gemeinsame rot-grüne Bildungspolitik.
Der Bericht „Schule in Berlin“ empfiehlt zu überprüfen, ob die Schulen den Kindern tatsächlich genug beibringen. Mindeststandards sollen mit Vergleichsarbeiten überprüft werden. Auch die Leistungen der zehnten Klassen sollten nach Bögers Worten untersucht werden.
In den fünften und sechsten Klassen sollten bessere und schlechtere Schüler mehr getrennt unterrichtet werden – wie bereits in den vergangenen Jahren begonnen. Auch müssten dringend mehr Grundschullehrer vor allem für Naturwissenschaften und im Osten für Englisch eingestellt werden, sagte Nowak. Festgelegt werden solle zudem, dass keiner Grundschulklasse mehr als 40 Prozent Schüler angehören, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen. Bei mangelnden Sprachkenntnissen sollten Vorklassen Pflicht werden.
Nach Mompers Worten müssen die Schulen in Zukunft finanziell stärker gefördert werden. Für mehr Lehrstellenbewerber durch eine Schulzeitverkürzung solle im Zuge der allgemeinen Arbeitsmarktpolitik gesorgt werden. Böger wie Momper wandten sich mit ihrem Plädoyer für eine zwölfjährige Schulzeit auch gegen die „Expressklassen“ an Gymnasien, die als Ausnahme zum Abitur nach dreizehn Jahren in Berlin eingeführt worden sind. Sie sollten aber nicht sofort abgeschafft werden. Auch sollen grundsätzlich weiterhin dreizehnjährige Bildungsgänge bis zum Abitur führen, beispielsweise an Schulen für langsamer Lernende, erläuterte Nowak. Die Kommission votierte grundsätzlich für eine Schulzeitverkürzung durch Streichen der Lehrplan-Inhalte im wesentlichen bei der elften Klasse.
Die SPD-Fraktion wird Bögers Worten zufolge auch für mehr Praxisbezug in den neunten und zehnten Klassen eintreten. Damit solle leistungsschwachen Schülern erspart werden, dass sie die Schule ohne Abschluss verlassen. Diese Angebote sollten gemeinsam mit der Wirtschaft geschaffen werden. Insgesamt sollten die Klassen sieben bis zehn aber so bleiben wie bisher. Für den Abschluss der zehnten Klasse und den Übergang zum Gymnasium werden allerdings Prüfungen erwogen.
Im Westen Berlins geht in den nächsten Jahren jeder zweite Lehrer in Pension. In ganz Berlin scheide in den nächsten fünf Jahren jeder dritte Lehrer aus. Der von der Berliner SPD eingesetzten Kommission gehörte auch der Grünen-Politiker Tom Stryck an. dpa
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