: Ein humpelnder Hase, Haken schlagend
■ Der NDR-Tatort „Der Duft des Geldes“ (So, 20.15 Uhr, ARD) bietet weniger Krug/Brauer-Kasperltheater – viel mehr aber nicht
Der reiche Herr Raguse liegt auf dem Billardtisch und macht nicht piep. Die ukrainische Putzfrau hat ihn so gefunden. War sie gar die Täterin? Kommissar Brockmöller philosophiert: „So ein kleines Loch, und der ganze Mensch ist tot.“ Dazu glotzt Kommissar Stöver recht bedripst.
Dieser Hambuger „Tatort“ (Regie: Helmut Förnbacher) lässt in gewisser Hinsicht die Hosen runter. Was geschieht, wenn Buch und Regie sich, was ja tatsächlich ihre ureigenste Aufgabe ist, auf den Kriminalfall konzentrieren und das entzückende Kasperle-Potential von Manfred Krug/Charles Brauer zugunsten der Geschichte in das dritte Glied abkommandieren? Buch und Regie müssen in ihrer ganzen ungeschützten Nacktheit vor dem Zuschauer bestehen. O Lust. O weh. „Der Duft des Geldes“ wird am Abend kleben wie ein nicht ganz so auserlesenes Parfüm. Zäh und unentschlossen strebt er, den Zuschauer zu verwirren. Wohin will er eigentlich, dieser „Tatort“? Er schlägt Haken wie ein humpelnder Hase (Buch: Lienhard Wawrzyn). Der nach neunzig Minuten erste komische Versuch fällt durch. Stöver: „Was ist mit Raguses Frau?“ Die Putzfrau: „Sie ist sehr schwanger.“ Sehr schwanger geht nicht, so wenig wie „ein bisschen schwanger“ oder „ein bisschen spannend“. Immerhin ist der Einfall lustig – Frau Raguse wird zugleich Witwe und Mutter. Das spart uns allen enorm Zeit.
Mitunter zeigt sich das Filmteam vom grossen Geist der Ironie erleuchtet. „Es tut uns leid, dass wir schon wieder unentwegt herumfragen müssen“, grantelt Stöver seine Zeugen an. Einer seiner Ermittler sieht unleugbar aus wie Dieter Zurwehme! Meckerkönig Stöver und sein musikalischer Kompagnon Brockmüller greifen erst in der zweiten Halbzeit zu den Noten. Nachts singen sie den Hamburger Mond an. Von Rentenfonds ist bald die Rede. Es scheint, als ob sie ihre eigene Fernsehrolle satt haben. Vielleicht, so kommt es einem in den Sinn, treten sie ja irgendwann ab. Anke Westphal
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen