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„Meine 104 Kilo haben mir das Leben gerettet“

■ Ex-SPD-Bürgerdeputierter wegen versuchten Totschlags an seiner Freundin angeklagt

Er engagierte sich für Kranke und Mittellose. Aber eigene Probleme ersäufte er im Alkohol. Es fehlte nicht viel, und seine Lebensgefährtin hätte dies mit dem Leben bezahlt. Gerettet wurde die 104 Kilo schwere Frau durch ihre Leibesfülle.

Seit gestern steht der 54jährige ehemalige Bürgerdeputierte der Bezirksverordnetenversammlung Spandau, Peter Sch., vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft legt dem eher kleinen, gelernten Estrichleger versuchten Totschlag zur Last. Auf seinen Wunsch hin hat das Gericht ihm als Pflichtverteidiger den innenpolitischen Sprecher der SPD, Hans Georg Lorenz, zur Seite gestellt. In der SPD und der Spandauer Kommunalpolitik hat der Angeklagte allerdings nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Während seiner neun Jahre als Bürgerdeputierter engagierte er sich vor allem im Bezirksausschuss für Gesundheit und Soziales und für die Senioren bei der Arbeiterwohlfahrt.

Das Peter Sch. große Alkoholprobleme hatte, war in seinem Bekanntenkreis durchaus bekannt. Allerdings habe er nur eine Ausschusssitzung wegen Trunkenheit „absagen“ müssen, betonte der Angeklagte gestern vor Gericht. Leidtragende seiner Sucht war dafür zunehmend seine Lebensgefährtin: die 48jährige Haushaltshilfe in einem Altenpflegeheim, Bärbel W. Vor Gericht schilderte die resolute Frau, dass sich das Verhältnis zwischen den beiden zunehmend verschlechtert habe. Nach fast zweijähriger Beziehung hatte die Witwe im Frühjahr endgültig die Nase voll von der „Eifersucht“ des geschiedenen Peter Sch. Aber der ließ offenbar nicht locker. Bärbel W. schilderte, dass er die Reifen ihres Auto zerstochen und sie mit unzähligen Drohanrufen belästigt habe. Am 7. Mai schließlich habe er ihr an ihrem Arbeitsplatz aufgelauert, in den Schwitzkasten genommen und ihr von unten ein Messer in den Bauch gerammt. „Aber ich konnte ihn gegen die Wand schmeißen und ihm das Messer entwenden“, sagte die Zeugin und ergänzte nicht ohne Stolz: „Meine Pfunde haben mich gerettet. Die bleiben jetzt auch.“ Nach einer Notoperation hatte die Frau zunächst auf der Intensivstation gelegen. Bei einer dünneren Person, mutmaßte sie gestern, „wäre das Messer hinten wieder rausgekommen“.

Der Angeklagte blickte die Zeugin bei ihrer Aussage nicht an. „Ich hatte sie gern, man kann auch sagen, ich habe sie geliebt“, sagt der Mann. Doch das sieht Bärbel W. anders. Letztes Jahr im Urlaub habe sich Peter Sch. nie zu ihr an den Tisch gesetzt, weil er die Beziehung „in der Arbeiterwohlfahrt nicht öffentlich zeigen wollte“. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Plutonia Plarre

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