: Sprit saufen ohne Kater
■ Diesel könnte viel sauberer sein. Die Schweiz zeigt, wie es geht
Dieselfahrzeuge blasen noch immer unnötig viele Schadstoffe in die Umwelt. Der Grund ist die zumeist miserable Qualität des Treibstoffs. Obwohl Diesel heute ohne Probleme fast schwefelfrei hergestellt werden kann, enthält er an Deutschlands Tankstellen noch bis zu 500 ppm Schwefel (parts per million, Teile pro Million). Doch die Ölkonzerne mauern; die Entschwefelung ist ihnen zu teuer, obwohl der Mehrpreis bei gerade sechs Pfennig je Liter liegt.
Die Alternative ist an wenigen Orten längst zu haben: In 16 deutschen Städten – zumeist im Süden – und an 18 Stationen in der Schweiz wird der schadstoffärmere Diesel unter dem Namen „Greenergy“ seit vergangenem Jahr angeboten. Er enthält weniger als 10 ppm Schwefel und darf daher als „schwefelfrei“ vermarktet werden. Etwa 4.000 Kubikmeter des verbesserten Sprits werden inzwischen monatlich in Deutschland verkauft. Einige Verkehrsbetriebe, wie die Freiburger, fahren bereits ihre Stadtbusse schwefelfrei. Am weitesten ist man in England, wo es den schwefelfreien Sprit seit sieben Jahren gibt.
Kein Fahrzeugbesitzer braucht gegenüber dem neuen Stoff Bedenken zu haben. „Alle großen Autofirmen haben ihre Fahrzeuge für den schwefelfreien Sprit freigegeben“, sagt Michele Müller von der Greenergy Conti Deutschland GmbH in Stuttgart, Generalimporteur des schwefelfreien Diesels für die Bundesrepublik. Er kennt den Grund für die Haltung der großen Mineralölkonzerne: „Die können den schwefelfreien Sprit nicht raffinieren.“ Zwar seien die Anlagen problemlos umzubauen, doch dazu müssten sie vorübergehend stillgelegt werden. „Das leistet sich kein Unternehmen.“
Auch die Mineralölkonzerne geben zu, dass sie nicht aus technischen, sondern aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht entschwefeln. Man sehe keinen Anlass, schwefelärmeren Sprit anzubieten, als es der Gesetzgeber verlange, sagt ein Mitarbeiter des Mineralölwirtschaftsverbandes in Hamburg. „Es werden europaweit bestimmte Diesel-Qualitäten zu bestimmten Zeiten angeboten – daran orientieren sich alle.“ Aus Wettbewerbsgründen biete keiner der großen Konzerne bessere Ware an als unbedingt nötig.
Nicht nur aufgrund der geringeren Schwefeldioxid-Emissionen ist der neue Diesel der Bessere. Auch die Masse der Rußpartikel wird durch die verbesserte Rezeptur laut TÜV-Untersuchungen um bis zu 78 Prozent gesenkt. Der Ausstoß von Stickoxiden und Kohlendioxid wird ebenfalls geringfügig reduziert. Schließlich werden auch die Fahreigenschaften verbessert: Weil er dünnflüssiger ist, schmiert der neue Diesel den Motor besser und bringt im unteren Drehzahlbereich eine erhöhte Grundschnelligkeit. Zudem ist er bis zu minus 32 Grad winterfest.
Aber alles das wird dem schwefelfreien Diesel nicht den notwendigen Schub geben – einen wirklichen Fortschritt werden nur schärfere Grenzwerte bewirken. Noch sind die EU-Grenzwerte derart lasch, dass sie den Mineralölkonzernen ihr derzeitiges Phlegma gestatten. Heute sind noch 500 ppm Schwefel zugelassen, vom Jahr 2000 an werden es noch 350 ppm sein. Und selbst mit der nächsten Verschärfung der Grenzwerte im Jahr 2005 bleibt die EU noch weit über jenen Werten, die heute problemlos erreichbar sind: 50 ppm wird der Grenzwert künftig betragen – immer noch mehr als das Fünffache des Möglichen.
Bernward Janzing
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