: „Kein fairer Prozess“
■ Zum heutigen Verhandlungsbeginn: Klage von Kurde über Haftbedingungen
„Die menschenunwürdigen Haftbedingungen müssen sofort aufgehoben werden“, empört sich Verteidiger Josel Gräßle-Münscher: „Unter diesen Haftbedingungen ist kein fairer Prozess möglich.“ Starker Tobak direkt vor dem heutigen Beginn des Prozesses gegen den türkischen Journalisten Mesut Demirel vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG). Dort ist Demirel wegen „psychischer Beihilfe zu einer versuchten Tötung“ sowie „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ angeklagt.
Dem türkischen Regimekritiker, der bei einem Briefbombenanschlag beide Hände und ein Auge verlor, wird vorgeworfen, als Presseprecher der „Revolutionären Volksbefreiungsfront/Partei“ (DHKP-C) 1995/96 geistiger „Mittäter“ an 13 Brandanschlägen in der Türkei gewesen zu sein und auch bei einem Überfall von DHKP-C-Leuten auf Ertan E. von der konkurrierenden Organisation „DevrimciSol“ mitgemacht zu haben (taz berichtete).
Nach seiner Verhaftung befand sich Demirel auf der Pflegestation des Bochumer Gefängnises. Nach Angaben seines Anwalts wurde er am 31. August für das OLG-Verfahren ins Hamburger Untersuchungsgefängnis überführt. Dort verbrachte er die erste Nacht im knastinternen Zentralkrankenhaus. Danach wurde er im „Normalvollzug“ untergebracht: „Er befindet sich in einer aus dem letzten Jahrhundert stammenden Primitivzelle, in der es nicht einmal eine Steckdose gibt“, berichtet Gräßle-Münscher. „Er hat selbstverständlich keine pflegerische Unterstützung, er kann nicht mal selber essen, weil man bei der Überführung seine Prothesen vergessen hat.“ Daher müsse er unverzüglich auf die Pflegestation verlegt werden.
Justizbehördensprecherin Simone Käfer weist die Vorwürfe teilweise zurück. Bei der Untersuchung im ZKH sei festgestellt worden, „dass eine medizinische Betreuung nicht notwendig ist“. Da seine Prothesen momentan in Bochum repariert werden, habe er inzwischen Hilfsprothesen erhalten, so Käfer, „so dass er selbst essen und sogar schreiben kann“. Käfer weiter: „Eine Zelle ohne Steckdose – da teilt er das gleiche Schicksal wie fast alle Untersuchungshäftlinge, das ist das Problem dieser Haftanstalt.“ Kai von Appen
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