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„Wir kamen in stockfinstere Büros“

■ Die neue belgische Gesundheitsministerin Magda Aelvoet fordert europäische Grenzwerte als Konsequenz aus dem Dioxinskandal

taz: Frau Aelvoet, Ihr Wechsel ins Amt der Gesundheitsministerin im von Lebensmittelskandalen gebeutelten Belgien war ziemlich turbulent. Eine Schonfrist hatten Sie nicht. Sehnen Sie sich manchmal zurück nach dem alten Job als Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament?

Magda Aelvoet: Ich hab eine sehr gute Erinnerung an meine Arbeit im Europäischen Parlament. Der Anfang im neuen Job als Gesundheitsministerin von Belgien war schwer, weil sich ungefähr eine Woche nach den Wahlen herausstellte, dass die Dioxinkrise nicht bewältigt war. Er wurde aber noch brutaler, weil es schlechte belgische Tradition ist, dass ein scheidender Minister sein Kabinett völlig leer räumt. Wenn zwei von den drei Regierungsparteien völlig neu aufstarten müssen – die Liberalen nach zwölf Jahren Opposition, die Grünen zum ersten Mal –, dann haben sie nicht genug Leute, um die Ministerien gut zu besetzen. Zudem kamen wir hier in stockfinstere Büros, die ganze Software war weg, ja, es gab nicht einmal Toilettenpapier. Wenn man aus einer solchen Lage heraus eine Krise bewältigen muss, dann steht man schon verdammt schlecht da.

Nach anfänglicher Empörung der Lebensmittelverbände und Protesten Ihrer Regierung gegen die Auflagen des EU-Veterinärausschusses scheint sich jetzt die Erkenntnis durchzusetzen, dass vorzeigbare negative Testergebnisse die einzige Chance sind, das Vertrauen in belgische Lebensmittel wieder herzustellen. Reichen die Laborkapazitäten aus, um die Tests dauerhaft durchzuführen?

Ich selbst habe in der Regierung immer dafür plädiert, dass wir ein allgemeines Monitoring-System einführen. Am Anfang waren einige Minister dagegen, inzwischen ist es die offizielle Regierungsmeinung. Das heißt nicht, dass wir im bisherigen Umfang weiter testen – aber das ist auch gar nicht notwendig.

Im Augenblick müssen aus jeder Fleischlieferung Stichproben genommen werden. Wenn wir in Zukunft die Futtermittelbetriebe genau kontrollieren und repräsentative Stichproben machen, dann kann man die Überwachung ausreichend organisieren, ohne dass man – wie jetzt – 5.400 Analysen pro Woche bewältigen muss.

Auch andere europäische Länder haben Dioxinprobleme. Was empfehlen Sie den Nachbarn als Konsequenz aus den belgischen Erfahrungen?

Die Umweltverschmutzung sorgt auch dann schon für PCB-Probleme, wenn nichts Besonderes passiert ist. Wir hatten schon zwei positive Analysen aus Betrieben, deren Tierfutter in Ordnung war, deren Tiere aber in der Nähe einer Verbrennungsanlage weideten. Da muss etwas geschehen. Das zweite Problem ist die Wiederverwertungsmentalität. Der Abfall landet über das Tierfutter im Lebensmittelkreislauf – das geht nicht. Da werden wir als belgische Regierung auch auf europäischer Ebene Vorschläge machen. Außerdem plädieren wir für einen europaweit einheitlichen Grenzwert. Es geht nicht, dass die Produkte eines Landes unter dem Vorwand der Gesundheitsvorsorge diffamiert werden, damit sich die Marktchancen der anderen verbessern. Ein schönes Beispiel dafür ist, dass Dänemark zu einem bestimmten Zeitpunkt drohte, die Grenze für belgisches Fleisch zu schließen. Es wäre dann nur konsequent gewesen, belgische Produkte aus den Läden zu nehmen – das wurde aber zu keinem Zeitpunkt überlegt.

Am 25. August hat der Ständige Veterinärausschuss die Auflagen für Belgien verlängert. Halten Sie diese Entscheidung für angemessen?

Ich verstehe das durchaus, nach allem, was passiert ist. Vom 25. Juni bis zum 20. Juli tauchten immer wieder neue Betriebe mit Problemen auf. Wenn die Liste ständig erweitert werden muss, dann ist das Listensystem irgendwann unglaubwürdig. Es war allerdings übertrieben, die Auflagen auf den Rinderbereich auszudehnen. Dort gab es so gut wie keine positiven Testergebnisse. Interview: Daniela Weingärtner

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