Richtig sprechen lernen mit viel Kraft und viel Melodie

■ Damit der Vortrag auch richtig klappt: Atem- und Sprechtherapeuten helfen Vielrednern beim richtigen Umgang mit der Stimme / Viel singen hilft beim Training

Sie ist die akustische Visitenkarte – die Stimme. Klang, Melodie und Ton entscheiden viel über Sympathie am Telefon, Durchsetzungsvermögen oder Zuhörerinte-resse beim Vortrag.

„Aus der Stimme kann man viel machen“, sagt auch die Atem-, Sprech- und Gesangstherapeu-tin Agnes Hublitz aus Bremen. Sie therapiert die Schwachstelle der Vielredner: die Stimmbänder. Pfarrer, Lehrer und Radiomoderatoren sind bei ihr in Behandlung, um nach Schaffhorst-Andresen-Methode richtig sprechen zu lernen. Das heißt, Atem und Stimme optimal und ökonomisch einzusetzen.

„Der Ton macht die Musik“, sagt Hublitz. Und die Stimme entscheidet darüber, ob überhaupt jemand zuhört und wie lange; und wieviel vom Inhalt hängen bleibt. Manchmal ist die Stimme zu monoton und einschläfernd. Und der Lehrer möchte lernen, seine Stimme anders einzusetzen. Vielfalt an Helligkeit, Melodie und Kraft könne man sich durchaus erarbeiten, sagt Hublitz. „Da lässt sich viel rausholen“.

Das Problem: In kaum einem Sprechberuf wird man auf den Stimmeinsatz vorbereitet. Zum Beispiel beim Lehramtsstudium gebe es oft nur ein minimales Angebot an Sprecherziehung. Hinterher, wenn aus Studenten, Referendare und daraus Lehrer mit Familie geworden sind, kommen häufig die Probleme mit den Stimmbändern. Für einen Berufswechsel ist es dann zu spät.

In skandinavischen Ländern ist man da oft schon viel weiter: Hier gehört Stimmausbildung zum Lehramtsstudium dazu. Der Bonuseffekt: Sind die Lehrer erst einmal sensibilisiert, was den Umgang mit der eigenen Stimme angeht, achten sie auch bei den Kids darauf. Schon früh gibt es dort also die richtige Anleitung.

„Man muss lernen, mit dem ganzen Bewusstsein in die Stimme einzusteigen“, sagt Hublitz. Ihre Therapien sollen die Patienten sensibel dafür machen, bewusst den Umgang mit der Stimme zu pflegen. „Wir haben wenig Gefühl für dieses Organ“, sagt die 43-Jährige. Niemand mache sich bewusst, wie das eigentlich funktioniert.

Bei Kleinkindern herrsche noch Idealzustand: Von der Atmung bis zur Stimmkraft laufe alles ganz natürlich ab. Später lerne man, die Stimme zurückzunehmen. Die Atmung wird flacher. Und über Nachahmung trainiert man sich im Lauf der Jahre oft noch einen falschen Stimmgebrauch an.

Falsch ist für die Therapeutin zum Beispiel die Mundatmung. Die Luft sei dann zu kühl aber nicht so sauber wie bei der Nase. Auch Räuspern ist für die Stimmbänder schädlich. „Man räuspert sich, um Spannungen im Kehlkopf zu verändern – aber man löst die Spannungen dadurch nicht“, erklärt Hublitz. Da helfe nur abschlucken oder den ungenehmen Ton auszuhalten.

Die Therapeutin setzt dann beim Atmen an. Grundregel Nummer Eins: Den Atem nutzen. Mit dem Ausatmen sprechen. Denn die Stimmbänder brauchen Luft.

Hublitz wünscht sich, dass sich die Leute mehr trauen. Die Leis- tungsfähigkeit des Organs sei eigentlich unbegrenzt – wenn man es richtig einsetzt. „Da ist ein großes Potential, wir holen nur zu wenig raus.“

Vor allem Singen sei wichtig. Denn eigentlich ist der Stimmapparat auf das Singen ausgerichtet, erklärt Hublitz. Zum Sprechen bräuchte man eine so feine Abstimmung gar nicht. Singen, sagt sie, tut der Stimme gut. Der Muskel wird beim Gesang ganz anders benutzt. Im Gegensatz zum Sprechen schwingt er viel länger.

„Schade, dass wir so selten singen“, klagt Hublitz. Da verschenke man was. Man muss sich nur trauen. Und das (Vor-)Urteil aus der Kindheit, nicht singen zu können, überwinden. Denn über das Singen spüre man die Kraft und die Resonanz der eigenen Stimme. pipe