Fünf rostige Landeklappen

Das Touristikunternehmen FTI erobert den Markt. Zu einem expandierenden Touristikunternehmen gehört heutzutage auch der eigene Carrier. Der taz-Airline-Check im Selbstversuch  ■   von Rüdiger Kind

Ein Unternehmen expandiert: 1981 wurde der Münchner Reiseveranstalter Frosch Touristik gegründet. Mittlerweile gehören auch Sport-Scheck Reisen, CA Ferntouristik, LAL Sprachreisen, UK Touristik und der Kreuzfahrtenveranstalter AIR-Maritime Seereisen zu der FTI-Gruppe, an der seit Frühjahr 1998 der kapitalkräftige britische Veranstalter Airtours plc Mitgesellschafter ist. Der Last-Minute-Anbieter „5 vor Flug“ ist ebenso unter dem FTI-Dach zu finden wie die „Flugbörse“, die FTI-Ferienwelt und die eigene SIVA-Hotelkette mit 28 Häusern. Ein eigenes Mietwagenprogramm „driveFTI“, das diesen Sommer starten soll, ist der nächste Schritt von FTI zum Komplettanbieter, der seinen Gästen nach Selbstauskunft „Urlaub aus einem Guss“ bieten will. Fehlte also nur noch die eigene Fluglinie ...

flyFTI – der neue deutsche Ferienflieger: „Ein hochmotiviertes und -qualifiziertes Expertenteam aus der deutschen Airliner-Elite ist im FTI-Konzern für den Aufbau der neuen Fluggesellschaft flyFTI zuständig. Nur die allerbesten und mit vielen Jahren an Erfahrung ausgestatteten Führungskräfte, technische Leiter, Flugbetriebsleiter und Kapitäne sind an Bord dieser neuen deutschen Fluggesellschaft.“ Soweit der Ankündigungs-Prospekt von flyFTI.

Trotz der Drohung, „flyFTI bietet Rundum-Unterhaltung während des gesamten Fluges“, entschließe ich mich zum Selbstversuch.

Packen & Warten. FTI 655, Abflugzeit 6 Uhr. Bitte finden Sie sich 2 Stunden vor Abflug am Abfertigungsschalter ein! Also um 4 Uhr morgens. Uff! Um 4 Uhr dann eine völlig übernächtigtes Häuflein Mallorcareisender beim Check-in. Bis das Gepäck aufgegeben, der Sicherheitscheck absolviert, das Gate im hintersten Winkel des Flughafens erreicht ist, ist es schon 5 Uhr. Bleibt also gerade mal eine halbe Stunde bis zur „boarding time“. Denkste! Eine Viertelstunde vor 6 Uhr ist weder Personal noch Flugzeug in Sicht. Um 6.10 Uhr dann die Durchsage, dass es leider eine Verzögerung gebe .Ein Blick auf den Monitor zeigt, dass alle anderen 6-Uhr-Flüge mittlerweile gestartet waren – an einer allgemeinen Überlastung des Flughafens kann es also nicht liegen. Um 7 Uhr die Aufklärung: Die Maschine ist jetzt in Lamezia Terme gestartet und auf dem Weg nach Stuttgart. Vor 9.30 Uhr ist nicht mit dem Start in München zu rechnen.

Erstaunlich früh, so gegen 9 Uhr, kommt Bewegung in die ins Abseits gestellte FTI-Herde: „it's boarding time!“ Mit dem Bus geht es zur Maschine, endlich werden wir das hochmoderne flyFTI-Fluggerät zu Gesicht bekommen. Doch was da auf dem Rollfeld steht, ist kein FTI-Flugzeug. Es ist ein schneeweißer Jet ohne jede Airline-Beschriftung, ein echter No-Name-Flieger. Frisch aus der Lackiererei vom Umspritzen gekommen, einzig ein Aufkleber neben der Kabinentür weist ihn als eine TransAer-Maschine aus. Wir werden also mit einem irischen Subcharter-Unternehmen befördert, das die Maschine wohl erst kürzlich auf dem Gebrauchtflugzeugmarkt erworben hat. Der Zustand der Sitze legt den Verdacht nahe, dass der Vogel schon einige Jahre – oder Jahrzehnte? – auf dem Buckel hat. Der abgebrochene Griff meiner Sonnenblende ist jedenfalls durch eine sinnreiche Tesafilm-Konstruktion ersetzt worden, aber solange die Triebwerke nicht mit Klebeband gehalten werden, ist mir das egal. Hauptsache, es geht jetzt endlich mal los. Und tatsächlich, um 9.40 Uhr starten wir und nehmen Kurs auf Mallorca. Geplante Flugzeit: eine Stunde und vierzig Minuten.

Nach zehn Minuten Flugzeit kommt Bewegung in die freundliche irische Crew. Eine Stewardess wird ins Cockpit gerufen und kommt mit reichlich versteinerter Miene wieder heraus. Durchsage des Captains: „We've got a small problem.“ Pause. „A really small problem.“ Wir müssen wegen eines technischen Defekts leider nach München zurückfliegen. Stille senkt sich über die Passagiere.

10.20 Uhr. Entgegen jeder Erwartung verläuft die Landung glatt, selbst die fürchterlich quietschenden Bremsen versagen nicht. Wir werden in einen unbelebten Teil des Franz-Josef-Strauß-Flughafens gelotst und warten. Alle Passagiere müssen an Bord bleiben. Ein paar Techniker gehen ein und aus, umkreisen das Flugzeug, der für die Abwicklung des Fluges zuständige Tour-Operator gibt Erklärungen ab. Die Anzeige für die Frachttür leuchtet auf, das muss gecheckt werden. Tut uns leid, aber kann vorkommen. Wir müssen drei Tonnen Kerosin nachtanken, aber es ist schwierig, jetzt einen Tankwagen zu bekommen. So geht das eine Stunde lang. Dann kommt die Meldung: Schaden behoben. Start 11.45 Uhr, Ankunft Palma de Mallorca 13.20 Uhr. Wie hieß das nochmal im Prospekt? „flyFTI setzt alles daran, dass Hin-und Rückflug für Sie erholsame und entspannte Urlaubstage sind.“ Jetzt haben wir erst mal zwei Wochen Zeit, uns von dem Hinflug zu erholen. Und möglichst nicht an den Rückflug zu denken.

Never fly with FTI. Machen wir es kurz: Hatten wir auf dem Hinflug eine mehrstündige Verspätung und eine defekte Maschine, so war beim Rückflug überhaupt keine Maschine vorhanden. Beim Check-in um 11.15 Uhr erfuhren wir von einer FTI-Beauftragten, dass unsere Maschine voraussichtlich erst um 19.15 Uhr starten werde. Während alle anderen Flüge mit keiner oder nur einer geringen Verspätung abhoben, warteten wir. Unterschriften wurden gesammelt. Hinter den Kulissen wurde wahrscheinlich fieberhaft versucht, auf dem Subchartermarkt eine freie Maschine für das FTI-Häuflein aufzutreiben. Um 22.20 Uhr, nach endlosen Durchsagen und Gate-Verschiebungen, hoben wir dann endlich mit einem halbbesetzten Jumbo-Jet der Corsair ab. Fazit: keine technischen Probleme, 9 Stunden Verspätung. Schlussbewertung von flyFTI im taz-Airline-Check: fünf rostige Landeklappen.