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Schwitzender Sisyphos hinter Stacheldraht

■ Überwachen und Strafen: das Gefängnisstück „Die Insel“ im Theater Orange

Spätsommerliche Atmosphäre im Hinterhof der Marktstraße 24 im Karoviertel: Premiere für das Theater Orange. Mit dem gellenden Ton einer Trillerpfeife beginnt die Vorstellung. Die abendliche Gemütlichkeit verzieht sich in einen anderen Hinterhof. Zwei junge Männer, Gefängnisinsassen auf Robben Island, Südafrika, rasen schwitzend und zunehmend erschöpfter im Hof hin und her. Bei all dieser wahnsinnigen Rennerei schaufeln sie zudem noch Sand in Eimer, nur um diese an einem anderen Platz wieder auszuschütten.

Was für das Publikum zähe Minuten sind, ist für die Personen des Stückes Die Insel von Athol Fugard ein ganzer Tag. Sisyphos als Zermürbungstaktik im Gefängnis – mit dem Ziel, die Zellenmitbewohner gegeneinander aufzuhetzen: „Ich habe dich gehasst. Du sahst so blöde aus.“ Wenngleich Fugard sein statement play Anfang der 70er Jahre auf die politische Situation Südafrikas bezog, ist der Text ohne weiteres auf jede Art der Haft übertragbar. Gefängnisse gibt es überall.

John (Benjamin Soyka) und Winston (Friedemann Wulfes) beackern unter der Regie von Christian Concilio ein beträchtliches Areal von Emotionen, das trotz der klaustrophobischen Enge ihrer Zelle seinen Platz findet. Die Zelle, ein 2x3 Meter großes Podest, umzäunt von Stacheldraht (Bühnenbild: Lars Maué), ist der Handlungsort des weiteren Geschehens im Theater Orange selbst. Der Raum ist gerade so groß, dass die gut 40 Zuschauer noch hineinpassen: ein ideales Einschließungsmilieu, also.

Das Stück haben die Darsteller ausgesucht, sich sich bei Peter und Corinna Ohrt in der Ausbildung befinden. Das Ehepar gründete 1985 die Freie Theaterschule Cockpit auf Kampnagel. Dabei entstand der Wunsch, irgendwann ein eigenes Theater auf die Beine zu stellen. Eingebunden in das Markthof-Projekt und in Zusammenarbeit mit der Stadt, soll das Theater Orange ein Teil des geplanten Kulturzentrums werden, das auch Kino und Cafe beheimaten wird. Bis das Gebäude allerdings steht, finden Aufführungen, Proben und Seminare weiter im „Zimmer-Theater“ statt, wie Corinna Ohrt es belustigt nennt.

Die Ohrts bilden derzeit acht Schüler aus, von denen die meisten bereits Erfahrungen in der Schauspielerei mitbringen. Die Ausbilder bedienen sich dabei eines speziellen Wahrnehmungstrainings, das auf einen indonesischen Bewegungslehrer zurückgeht. Für bislang Uneingeweihte gibt es übrigens Kurse in dieser Form des Ausdrucks unter dem Titel Basic Movement. Liv Heidbüchel

Die Insel, Theater Oragne, 16.bis 18., 23. bis 25.9., jeweils 20.30. Karten und Info Tel.: 43 33 79

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