: Finke knüpft ein dichtes Netz
Beim 1:1 in Dortmund zieht sich der SC Freiburg nicht mit spielerischem Geschick, sondern mit verzweifelter Abwehrarbeit und etwas Glück aus der Affäre ■ Aus Dortmund Ulrich Fuchs
Vergangene Woche waren beim Sport-Club Freiburg Jugendsichtungstage. Das funktioniert so: Rund 250 Jungs aus der Region kommen zum Trainingsgelände, werden in Zehnergruppen aufgeteilt, kriegen jeweils zwei SC-Profis als Trainer, üben drei Stunden Fußball und sind dabei so glücklich wie Cheftrainer Volker Finke, der zwischen den Gruppe flaniert. „Es gibt sie noch, die Unschuld des Fußballs“, schwärmte Finke auch noch Tage später und war überzeugt, „dass die Lütten, die dabei waren, für ein Jahr Motivation ziehen“ aus der Übungseinheit mit ihren Lieblingen.
Das Spiel seiner Profis in Dortmund schien am Samstag lange zu einer Wiederholung der Jugendsichtungstage auf erhöhtem Niveau zu geraten. Hüben die mit ein paar erfahrenen Kickern verstärkte U 22 aus Freiburg, drüben die großen Stars von Borussia Dortmund, und drumherum ein Stadion, das sich gegen das Freiburger ausnimmt wie der Kölner Dom gegen die hübsche Barock-Kirche in einer Schwarzwaldgemeinde. Bis hoch unters Tribünendach war in den Anfangsminuten dann auch die Ehrfurcht zu spüren, mit der die Freiburger zu Werke gingen.
Weniger Ehrfurcht als vielmehr äußerer Druck war es wohl, was BVB-Coach Michael Skibbe bewogen hatte, mit Andreas Möller hinter den Spitzen zu beginnen und damit eine klassische 3-5-2-Formation aufs Feld zu schicken. „Die Sache zerfrisst mich“, hatte Möller nämlich die Medien wissen lassen, nachdem er sich zum Saisonstart gleich zweimal auf der Bank wiedergefunden hatte, und Skibbe dazu noch laut über seine Umfunktionierung zum dritten Angreifer nachdachte. Ein Gedankenspiel, das Möller mit seinem Auftritt gegen Freiburg eher bestätigte als widerlegte. Weil er mit seiner Antrittsschnelligkeit und individuellen Klasse am Ball zwar immer wieder für Gefahr sorgte, aber nicht für Inspiration im Dortmunder Spiel.
Die fehlte auch bei den Freiburger Kombinierern mehr, als man das gewohnt ist. Als dann auch noch Innenverteidiger Boubacar Diarra gegen den alten Recken Jürgen Kohler so grob zur Sache ging, dass sich Schiedsrichter Kemmling für die Rote Karte entschied (34.), waren die Weichen endgültig gestellt. Freiburgs überraschende Führung durch Baya (41.) begünstigte da nur noch die vorgegebene Dramaturgie mit einer wild anrennenden Borussia auf der einen Seite und den sich verzweifelt wehrenden Freiburgern auf der anderen. Immerhin: Alle Taktik-Fetischisten erhielten im zweiten Durchgang eine eindrucksvolle Demonstration, dass an der Freiburger Fußballschule nicht nur das überschwängliche Vorwärtsspiel eingeübt wird. Erst tief in der eigenen Hälfte attackierte der Sport-Club die Borussia und legte 30 Meter vor dem eigenen Tor ein dichtes Netz an Abwehrspielern aus, dessen Engmaschigkeit die weit zurückgezogenen Stürmer und der vor den Innenverteidigern arbeitende Libero zusätzlich erhöhten.
Der Unterhaltungswert der Partie blieb beträchtlich. Weil die Freiburger immer noch eine beachtliche Zahl Dortmunder Großchancen zuließen und zum Ende hin selbst die eine oder andere Kontersituation in Szene setzen konnten. „Wir haben heute nicht gewonnen“, bilanzierte Volker Finke, „weil wir selbst nicht das zweite Tor gemacht haben.“ Aber, so Finke, „Spaß macht es im Moment trotzdem.“
Nicht von Spaß, aber immerhin von „Zufriedenheit“ berichtete der Kollege Skibbe „weil wir heute keine Heimniederlage bezogen haben.“ Was angesichts der eigentlichen Kräfteverhältnisse merkwürdig anmuten mag. Angesichts des späten Ausgleichs durch Bobic weniger. Vor allem aber wird Skibbe nicht verborgen geblieben sein, dass das spielerische Vermögen seiner Elf zu den selbst formulierten Titelambitionen noch deutliche Diskrepanzen aufweist.
In Freiburg will man weniger hoch hinaus. An Selbstkritik mangelte es aber trotz des Punktgewinns in Dortmund nicht. „Eine tolle Mannschaft“, sagte Torschütze Baya, „wären wir, wenn wir heute hier gewonnen hätten.“ Zumindest einen Trost konnte der Tunesier aus Dortmund mitnehmen. An der weiteren Verfeinerung der Freiburger Spielkultur kann er auch künftig mit Trainer Finke zusammenarbeiten. Der kündigte nach der Partie nämlich an: „Ich bleibe hier so lange Trainer, bis wir einmal in Dortmund gewonnen haben.“
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