: „Es hat im Vorfeld Gespräche gegeben“
Morgen wird vor dem Landgericht der zweite Prozess gegen KurdInnen eröffnet, die nach der Festnahme von Abdullah Öcalan im Februar die SPD-Zentrale besetzt hatten ■ Von Elke Spanner
Der erste Prozess endete mit hohen Strafen. Zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilte das Hamburger Landgericht Mitte Juli vier der KurdInnen, die am 17. Februar die SPD-Parteizentrale einen Tag lang besetzt hielten. Die vier waren damals nur bis in den zweiten Stock des Gebäudes an der Kurt-Schumacher-Allee vorgedrungen – und deswegen zweifelsfrei nicht an der Geiselnahme des SPD-Landesgeschäftsführers Dirk Sielmann beteiligt, der im dritten Stock festgehalten wurde. Morgen stehen zwei Kurden vor dem Landgericht, denen neben Landfriedensbruch und Hausfriedensbruch auch die Geiselnahme zur Last gelegt wird.
Die beiden Kurden sind die einzigen der damaligen BesetzerInnen des 3. Stockes, die zum Tatzeitpunkt über 21 Jahre alt waren. Deshalb werden nur sie nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt. Ihre Verfahren wurden von den übrigen abgetrennt. Gegen elf Jugendliche ist ebenfalls bereits Anklage erhoben, Termine für deren Prozesse stehen jedoch noch nicht fest. Die Jugendlichen sind alle auf freiem Fuß, während morgen die beiden Angeklagten aus der Untersuchungshaft ins Gericht geführt werden.
Einer der beiden hatte sich wenige Tage nach der Besetzung freiwillig in Begleitung seines Anwaltes der Polizei gestellt. Umfassend hat er vor den BeamtInnen ausgesagt. Er hatte auch eingeräumt, wegen seiner guten Deutschkenntnisse im Verlauf der Besetzung die Verhandlungen mit der Polizei geführt zu haben. Der zweite morgen Angeklagte hat zu den Vorwürfen bisher nichts zu Protokoll gegeben, bestätigt sein Verteidiger Johannes Santen.
Rund 20 KurdInnen drangen am 17. Februar in die SPD-Zentrale ein. Am Tag zuvor war der Kopf der „kurdischen Arbeiterpartei (PKK)“, Abdullah Öcalan, vom türkischen Geheimdienst in Kenia gekidnappt und in die Türkei verbracht worden. Bundesweit protestierten KurdInnen gegen die Festnahme. Von der deutschen Regierung verlangten sie, sich für das Leben Öcalans einzusetzen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, besetzten KurdInnen in Hamburg das SPD-Gebäude. In Berlin wurde parallel das israelische Generalkonsulat besetzt, weil Israel an der Entführung Öcalans beteiligt gewesen sein sollte. Israelische Sicherheitskräfte erschossen vier KurdInnen.
Infolge der Proteste wurden bundesweit rund 2100 KurdInnen festgenommen. 135 Haftbefehle wurden erlassen, insgesamt zwischen 1500 und 2000 Ermittlungsverfahren eingeleitet. In Hamburg ging Mitte Juli der erste Prozess, der wegen der Besetzung der SPD-Zentrale geführt wurde, ohne große Beweisaufnahme an nur einem Verhandlungstag zu Ende. Damals hatten Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht sich schon auf das Urteil von einem Jahr auf Bewährung geeinigt, ehe sie den Gerichtssaal betreten hatten. Der damalige Richter Gerhard Schaberg sitzt auch der Kammer vor, die den morgigen Prozess eröffnen wird. Rechtsanwalt Johannes Santen: „Es hat im Vorfeld Gespräche gegeben.“
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