: Rüffel für Sozialsenatorin
Ausschreibungstreit: SPD-Fraktion verabschiedet ein Positionspapier und beweist politisch-strategische Qualitäten ■ Von Sven-Michael Veit
Es gibt Formulierungen, die an Deutlichkeit wenig zu wünschen übriglassen. „Die Einführung neuer Steuerungs- und Vergabeverfahren für Zuwendungen ist nicht nur von administrativer Bedeutung, sondern hat politisch-strategische Qualität“, heißt es in dem gestern am Abend verabschiedeten Positionspapier der SPD-Fraktion über Zuwendungen an Träger im Sozialbereich. Ein kaum verhohlener Rüffel für SPD-Sozialsenatorin Karin Roth und die bisherige Ausschreibungspraxis ihrer Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS).
In den Details bestätigt das Papier bereits vorab durchgesickerte Informationen (taz berichtete gestern). Ausschreibungen sollten zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf neue Maßnahmen und neue Projekte beschränkt werden, sowie auf Projekte, bei denen ein Trägerwechsel erforderlich wird. Das könnte der Fall sein bei Qualitätsmängeln, bei der Verweigerung von Leistungsnachweisen oder bei Kündigung von Vereinbarungen durch den jeweiligen Träger.
Bestehende Maßnahmen sollten nur bei rechtlichen Neuregelungen auf den Prüfstand gestellt werden oder bei Änderungen in der Kofinanzierung. Das würde zum Beispiel bei Reduzierung von ABM-Mitteln seitens des Arbeitsamtes gelten. Zugleich wird klargestellt, dass bereits getroffene Entscheidungen der BAGS nicht revidiert werden. Dies betrifft vor allem die Ausschreibung von mehreren Hamburger Drogenhilfe-Einrichtungen, deren Ergebnisse im Frühsommer für ersten heftigen Knatsch zwischen BAGS und Trägern geführt hatte.
Roth hatte in den vergangenen Monaten versucht, auf dem Verwaltungsweg eine grundsätzliche Ausschreibung aller Projekte durchzusetzen, die von der BAGS Zuwendungen erhalten. Davon versprach sie sich mehr Transparenz – ein für die bisherige Filz-Hochburg BAGS, die Roth im April vorigen Jahres von ihrer zurückgetretenen Vorgängerin Helgrit Fischer-Menzel übernommen hatte, durchaus lobenswertes Ansinnen.
Die Reduzierung auf schematisches Behördenhandeln ohne ausreichende Berücksichtigung arbeitsrechtlicher, finanzieller und sozialer Folgen für aus der Förderung gefallene Träger und deren MitarbeiterInnen hatte ihr allerdings heftige Kritik auch von Verbänden, Gewerkschaften und letztlich der SPD-Fraktion eingebracht.
Die stellt in ihrem Beschluss denn auch klar, dass Ausschreibungen nicht in jedem Fall der Weisheit letzter Schluss seien. Um Transparenz zu erreichen, gebe es auch die Möglichkeit, Rahmen- oder Leistungsvereinbarungen mit Trägern abzuschließen. Senat, aber auch die Bürgerschaft, dürften deshalb ausschreibungsfreie Bereiche bestimmen, in denen „die Erfüllung von Aufgaben durch bestimmte freie oder staatliche Träger festgelegt wird“.
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