: Beschwingte Senfkörner des Wahnsinns
■ Bright Side of the Moon: „Luna“ mit Ex-„Galaxie 500“ Dean Wareham im Logo
Es sollte sein Sommer werden. Fast genau dreißig Jahre nachdem die ersten Besucher sein meteoritenvernarbtes Gesicht wieder verlassen hatten, besann sich der Mond auf einen alten Trick. Damit die Erdlinge sich wieder seiner erinnern, schob er sich derart gekonnt vor Mutter Sonne, dass von der nicht viel mehr übrig blieb als ein wüstes Flackern. Doch was geschah? Alle Welt lobpreiste die Sonne als Schöpferin von Licht und Schatten – und später freute man sich, dass mit dem doofen Mond endlich auch die Angst vor dem Erdenende verschwunden war.
Wer weiß, ob Dean Wareham solche Gleichnisse mag. Wohl kaum. Sonst hätte er vor sieben Jahren seine Band nicht Luna getauft, sondern sich gleich nach dem Nachfolgemodell des Galaxie 500 erkundigt. Dem gleichnamigen Trio nämlich stand Wareham einst vor, und viele glauben, dass die Band auch heute noch mit unverminderter Kraft alles überstrahlt, was Wareham und seine beiden Kollegen seitdem hervorgebracht haben.
Dabei fällt es gar nicht mehr so leicht, die Originalität von Galaxie 500 nachzuempfinden. Doch wer sich noch an eine schlafwandlerisch ihren Bass streichelnde Naomi Yang oder an Damon Krukowskis zarte Fellberührungen erinnert, weiß, wie aufregend ein längst zum Stilmittel erhobenes Phlegma sein konnte.
Nach der Auflösung der Band waren es dann auch Damon & Naomi, die den Bedarf nach Schwermut einer sich nun rasend vergrößernden Galaxie-500-Trauergemeinde deckten. Sänger Dean Wareham hingegen legte mit Luna sein Misanthropen-Image recht bald ab. Zwei ausgemachte Pop-Intelligenzler – Justin Harwood (The Chills) und Stanley Demeski (Feelies) – sorgten zunächst für den nötigen Swing. Wareham selbst jedoch blieb gefangen zwischen dem eigenen Vermächtnis und dem Wunsch, sich im abgebrannten Indie-Land der 90er neu zu orientieren. Dies zeigte sich selbst bei der Auswahl zwischenzeitlicher Gastmusiker.
Während ein früher Held wie Sterling Morrison 1994 in alten Ego-Wunden des steten Vergleichs mit Velvet Underground bohrte, spannte das darauf folgende „Bonie and Clyde“-Duett mit Stereolabs Laetitia Sadier den Bogen zum zeitgemäßen Easy Listening..Jetzt sind Luna mit „The Days Of Our Nights“ beim fünften Album angekommen. Der Titel scheint Warehams Entwicklung vom Melancholiker zum Optimisten nachträglich zu unterstreichen: The bright side of the moon, sozusagen; oder: Indie-Rock ohne Indie, dafür aber mit Humor.
„Schau in den Himmel“ empfiehlt er uns auf deutsch, „die Engelshände säen Senfkörner des Wahnsinns“. Mal sehen, wie das wächst. Michael Hess
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