Drei Fehler und ein Freispruch

■ Verfassungsbruch und Stasi: Bürgerschaft debattiert turbulent über Jugendkriminalität

Das war ein Fehler. Der Versuch der CDU in der gestrigen Aktuellen Stunde der Bürgerschaft, Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität der Tatenlosigkeit zu überführen, endete mit Freispruch wegen fehlerhafter Anklage. „Ihr populistischer Blödsinn“, urteilte GAL-Rechtsanwältin Bettina Kähler über den CDU-Fraktionsvorsitzenden Ole von Beust, „eignet sich nicht für einen politischen Rundumschlag gegen die Senatorin und ihre Politik.“

Von Beust, ebenfalls Rechtsanwalt, hatte zuvor eine teilweise turbulente Debatte mit scharfen Angriffen auf Peschel-Gutzeit eingeleitet. Er schilderte ausführlich den Fall eines 16-Jährigen im Stadtteil Berne, der „die Nachbarschaft terrorisiert, Jugendliche verprügelt und erpresst“ und gar unter Androhung von Gewalt zum Stehlen zwinge. 30 Strafanzeigen lägen vor, hat von Beust recherchieren lassen, aber der „schwere Junge“ sei weiterhin auf freiem Fuß: „Ein Skandal“, wetterte er, und die Senatorin bleibe tatenlos. Sie hätte sich, so seine Forderung, schon lange die Akten kommen lassen und sich persönlich einschalten müssen. Das war sein zweiter Fehler.

Während der Regenbogenabgeordnete Lutz Jobs sich auf Spott und Hohn beschränkte – „Das war völlig substanzlos, Sie haben ja nicht mal geschlossene Heime gefordert“ – ergriffen SPD und GAL die Gelegenheit, auf den in der Union als Junger Wilder geltenden von Beust verbal einzuprügeln.

Er wolle, interpretierte Andrea Hilgers (SPD), „die richterliche Unabhängigkeit abschaffen und den Rechtsstaat und diese Republik gleich mit“. Eine „Aufforderung an die Senatorin zum Verfassungsbruch“ gar argwöhnte SPD-Fraktionschef Holger Christier, weshalb er seinen Amtskollegen aufforderte, sich „in aller Form bei Frau Peschel-Gutzeit zu entschuldigen“. Was von Beust selbstredend nicht tat.

Dieser dritte Fehler riss Peschel-Gutzeit selbst zu ungewöhnlich harten Worten hin. Dass Minister sich von Staatsanwaltschaft und Gerichten Akten vorlegen ließen und in Verfahren eingriffen, kenne sie aus ihrer Zeit als Berliner Justizsenatorin von 1984 bis '97: „Und zwar wortwörtlich aus Stasiakten, Herr von Beust“. Ein solches An-sinnen sei eine „Ungeheuerlichkeit, wie sie mir in fast 40 Jahren als Richterin und Justizsenatorin noch nicht untergekommen ist“. Nachdem sie ihrer Verärgerung Luft gemacht hatte, stellte Peschel-Gutzeit den Sachverhalt klar. Gegen von Beusts Kronzeugen, den 16-Jährigen aus Berne, sei in 10 Fällen Anklage erhoben worden, der Prozess werde demnächst eröffnet.

Diesmal tat von Beust das Richtige: Er vergriff sich nicht erneut am Wort. smv